SPD geht auf Merkel zu

Parteivorstand votiert für ergebnisoffene Gespräche mit der Union

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf dem Weg zur Sitzung der SPD-Spitze im Willy-Brandt-Haus bekundeten diverse Sozialdemokraten am Montagmorgen, dass sie nicht begeistert wären, wenn es erneut zu einer Großen Koalition kommen würde. »Das wäre nur eine Notlösung«, erklärte etwa der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer machte deutlich, dass sie eher eine Minderheitsregierung favorisieren würde.

Wenig später fassten Präsidium und Vorstand der SPD einen Beschluss, mit dem zunächst einmal fast alle führenden Sozialdemokraten gut leben können. Nur die Bundestagsabgeordnete Katrin Budde enthielt sich. In dem Papier steht, dass die Partei sich verpflichtet fühle, »in Gesprächen auszuloten, ob und in welcher Form die SPD eine neue Bundesregierung mittragen kann«. Bei diesen Gesprächen mit der Union, die in der kommenden Woche beginnen sollen, gebe es keinen Automatismus und keine Vorfestlegungen. Auch Neuwahlen oder die Tolerierung einer Minderheitsregierung werden nicht ausgeschlossen.

Parteichef Martin Schulz, der noch vor zwei Wochen nach dem Scheitern der Sondierungen von Union, FDP und Grünen Neuwahlen präferiert hatte, kündigte nun an, dass der Parteivorstand das Ergebnis der Gespräche auswerten und eine Empfehlung aussprechen werde. Über mögliche Koalitionsverhandlungen soll ein Parteikonvent entscheiden. Die Konvente der SPD haben bislang immer hinter verschlossenen Türen getagt. Die Delegierten sind in der Regel Funktionäre. Der Vorstand konnte sich hier auch bei kontroversen Themen wie der Vorratsdatenspeicherung und dem Freihandelsabkommen CETA auf eine knappe Mehrheit stützen. Sollten sich Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag einigen, dann müsste die Parteibasis gefragt werden. »Unsere Mitglieder würden über das Gesamtpaket abstimmen«, kündigte Schulz an.

Der Beschluss der SPD-Spitze steht beim Berliner Bundesparteitag, der am Donnerstag beginnt, zur Abstimmung. Viele Sozialdemokraten sind skeptisch oder lehnen die Fortführung der Großen Koalition grundsätzlich ab. Die Jusos haben innerhalb von drei Tagen rund 10 000 Unterschriften gegen Schwarz-Rot gesammelt. Der Parteinachwuchs meint, dass die SPD Zeit brauche, um sich nach ihrer Niederlage bei der Bundestagswahl neu aufzustellen. Zudem kritisieren sie, dass innerhalb der Großen Koalition die Auseinandersetzung zwischen den politischen Lagern kaum noch stattfinde und diese Situation zum Erstarken der Rechtspopulisten beigetragen habe.

Um auch die Parteilinken von den Gesprächen mit der Union zu überzeugen, hat die SPD-Führung nun angedeutet, dass sie kleine Verbesserungen in der Flüchtlingspolitik anstrebt. In dem Antrag für den Parteitag spricht sich der SPD-Vorstand dafür aus, die temporäre Aussetzung des Familiennachzugs nicht zu verlängern. Denn der Familiennachzug und das Zusammenleben in der Familie würden zu einer guten Integration von Geflüchteten beitragen. Der Nachzug von Familienmitgliedern von Asylbewerbern mit eingeschränktem Schutz ist derzeit bis März 2018 ausgesetzt. Nach dem Willen der Union soll das zunächst so bleiben. In der Großen Koalition hatte die SPD der Aussetzung des Familiennachzugs noch zugestimmt.

Außerdem nennt die SPD-Führung in ihrem Antrag einige Punkte, die für sie essenziell sind. Dazu zählen eine Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in der EU und die Einführung eines Systems europäischer Mindestlöhne. Zudem spricht sie sich für eine Stabilisierung des Rentenniveaus und für die Einführung einer Bürgerversicherung im Gesundheitswesen aus.

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