Rentenniveau in Deutschland weit unter EU-Durchschnitt

Bericht »Renten auf einen Blick« zu Pensionssystemen von 35 OECD-Ländern und acht weiteren G20-Staaten vorgelegt

  • Eva Roth
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bundesrepublik wird oft für ihre starke Wirtschaft und die gute Beschäftigungslage gelobt. Tatsächlich ist die Erwerbstätigkeit hoch und die Arbeitslosigkeit viel niedriger als anderswo. Wenn man sich allerdings anschaut, wie der Sozialstaat junge Menschen fürs Alter absichert, steht Deutschland sehr schlecht da: Die gesetzlichen Rentenansprüche von jungen Erwerbstätigen sind im internationalen Vergleich ausgesprochen niedrig. Das zeigt der Bericht »Renten auf einen Blick« der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der am Dienstag veröffentlicht wurde. Untersucht wurden die Rentensysteme von 35 OECD-Ländern und acht weiteren G20-Staaten.

In Deutschland müssen Geringverdiener demnach davon ausgehen, dass sie im Alter gerade einmal 55 Prozent ihres früheren Nettogehalts als gesetzliche Nettorente erhalten. Das ist ungewöhnlich wenig. Im OECD-Durchschnitt beträgt das Rentenniveau für Niedriglohn-Beschäftigte gut 73 Prozent. In der EU betragen die durchschnittlichen Rentenansprüche für Geringverdiener der Studie zufolge sogar fast 80 Prozent.

46 Prozent weniger

Die Rentenlücke zwischen Frauen und Männern ist in Deutschland so groß wie in keinem anderen der 35 OECD-Staaten, berichtet die Industrieländer-Organisation OECD. So seien die Renten von Frauen hierzulande im Schnitt 46 Prozent niedriger als die von Männern. Ein wichtiger Grund: In Deutschland haben mehr Frauen als anderswo lediglich Teilzeitjobs.

Eine bessere Altersabsicherung von Frauen müsse darauf abzielen, das sogenannte modifizierte Ernährermodell anzupacken, betont der Sozialforscher Gerhard Bäcker. Dem »Zuverdienst« von Frauen im mittleren Alter entspreche später eine niedrige Rente. Derzeit fördere die Politik noch dieses Ernährermodell, etwa durch Minijobs und Ehegattensplitting. rt

Konkret berechneten die Forscher, mit welcher gesetzlichen Rente junge Beschäftigte rechnen können, die im vorigen Jahr im Alter von 20 Jahren berufstätig geworden sind und so lange arbeiten, bis sie eine abschlagsfreie Rente erhalten. Hierzulande müssen sie dafür 45 Jahre berufstätig sein.

Geringverdiener, die die Hälfte des Durchschnittseinkommens erhalten, sind demnach hierzulande sehr schlecht fürs Alter abgesichert. Selbst wenn sie durchgängig erwerbstätig sind, erhalten sie nach derzeitiger Gesetzeslage nur 55 Prozent ihres Nettolohns als Rente ausbezahlt. Geringverdiener, die später nur die gesetzlichen Altersbezüge zur Verfügung haben, müssen demnach drastische Einbußen in Kauf nehmen.

Anderswo sind alte Menschen per Gesetz viel besser vor dem finanziellen Absturz geschützt. In Australien, Österreich und Israel liegt das Rentenniveau für Geringverdiener bei über 90 Prozent. In den Niederlanden und in Dänemark ist ihre Nettorente sogar höher als ihr Nettogehalt.

Auch Durchschnittsverdiener haben in Deutschland nur magere Rentenansprüche: Sie müssen der Studie zufolge damit rechnen, dass ihre Nettorente bei knapp 51 Prozent ihres Nettogehalts liegt. Im OECD-Durchschnitt sind es hingegen 63 Prozent (EU: 71 Prozent).

Dass Deutschland so schlecht abschneidet, hat mehrere Gründe: Zum einen hat die Politik mit mehreren Reformen das Rentenniveau gedrückt. Zum anderen gilt hierzulande das sogenannte Äquivalenzprinzip, nach dem sich die Rentenhöhe strikt nach den eingezahlten Beiträgen richtet.

Anderswo, etwa in den Niederlanden, haben Beschäftigte dagegen Anspruch auf eine Mindestrente, wenn sie einige Jahre gearbeitet haben. In Neuseeland gebe es sogar eine Einheitsrente für alle, erläutert Monika Queisser, Abteilungsleiterin für Sozialpolitik bei der OECD. Sie plädiert dafür, dass die deutsche Politik Menschen mit geringen Einkünften besser schützt: »Wir sind dafür, dass die Alterssicherung für Niedrigverdiener verbessert wird«, sagte Queisser in einem Pressegespräch, ohne ein bestimmtes Modell zu empfehlen. Wichtig sei, dass Armut im Alter wirksam verhindert werde.

Vor wachsender Altersarmut warnen Sozialverbände hierzulande schon lange. Tatsächlich ist diese Entwicklung bereits zu beobachten: Der Anteil der Rentner, die armutsgefährdet sind, ist binnen zehn Jahren deutlich gestiegen.

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