Von launischen Autos und intelligenten Toastern

Der Mensch muss aufpassen, dass die Gegenstände, mit denen er sich umgibt, in Zukunft nicht schlauer sind als er selbst, meint Wolfgang Hübner

Mit dem selbstfahrenden Auto ist es so: Der Mensch setzt sich rein, gibt das Ziel vor und sich selbst dann der Muße hin. Es ist wie Bahnfahren, nur ohne Ticketkontrolle und nervige Nachbarn. Soweit die Verheißung.

Wahrscheinlich mussten sich die Politiker schon so oft mit dem selbstfahrenden Auto beschäftigen, dass sie dabei auf eine Idee gekommen sind. Man könnte ja auch das Regieren lassen, sagt dem Land ganz grob, wohin es gehen soll - in die Zukunft natürlich - und lehnt sich dann zurück, um zu sondieren, zu taktieren, zu prokrastinieren oder sonstwas. Ein ganz neues Modell: das selbstregierende Land. In Neuseeland wird an einem Roboter gebastelt, der erst ins Parlament einziehen und bis 2020 als Premier kandidieren soll.

Sitzt man erst einmal im selbstfahrenden Auto, dann kann man schöne Dinge tun. Einen Film ansehen - aber nur so lange, bis der selbstschauende Film erfunden wurde. Oder sich ein Bier genehmigen. Falls es das selbsttrinkende Bier noch nicht gibt. Oder eine Pizza … Na, Sie wissen schon.

Damit sind wir bei einer existenziellen Frage: Wozu ist in absehbarer Zeit der Mensch noch nötig? Als Produzent tritt er im Zeitalter der Automatisierung immer mehr in den Hintergrund. Und als Konsument sind seine Tage womöglich ebenfalls gezählt. Er kann froh sein, wenn ihn das Auto überhaupt noch mitnimmt. Denn es wird ja immer schlauer. Zunächst wird es auf die Ansage »Heute geht es nach Wittenberge« räsonieren: »Was sollen wir dort? Dort ist ja nichts los.« Und irgendwann wird es solche Fahrten verweigern und macht sich allein auf den Weg, dahin, wo es ihm gefällt.

Das nennt sich dann künstliche Intelligenz. Der Mensch muss höllisch aufpassen, dass die Gegenstände, mit denen er sich umgibt, nicht schlauer sind als er selbst. Wobei manche Menschen da jetzt schon Schwierigkeiten hätten. Aber bald wird der Mensch nicht mehr das schlaueste, sondern das dämlichst mögliche Auto kaufen, damit es ihm nicht auf der Nase herumtanzen kann. Wenn der IQ des, sagen wir, Toasters erst einmal höher ist als der des Benutzers, dann gute Nacht.

Wir werden Sie, verehrte Leserinnen und Leser, darüber auf dem Laufenden halten. Sie werden davon in unserer Zeitung lesen. Jedenfalls, solange es noch keine selbstlesende Zeitung ist. Die Redaktionsleitung wird die Redaktion drängen, den technischen Fortschritt im Auge zu behalten, solange wir noch keine selbstleitende Redaktion haben. Wenn jedes Ding nur noch für sich selbst da ist, kann uns (sogar den Atheisten) eventuell nur noch der liebe Gott helfen. Aber der dürfte auf all das Mangelhafte, was er in seiner einzigen Arbeitswoche schuf, pfeifen - wenn er eines Tages in den Selbstglaubend-Modus umgeschaltet hat.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.