- Politik
- Streit um Jerusalem
Trumps Büchse der Pandora
Missbilligung der Entscheidung des US-Präsidenten im UN-Sicherheitsrat und in der Arabischen Liga
Die Verkündung der Anerkennung ganz Jerusalems als Hauptstadt des Staates Israel durch US-Präsident Donald Trump vom Mittwoch zeitigte am Wochenende die erwarteten Folgen. In allen größeren palästinensischen Orten im israelisch besetzten Westjordangebiet gingen Palästinenser auf die Straße, um für ihre nationale Rechte zu demonstrieren. Und dazu zählen sie auch weiter die Gründung eines eigenen Staates und ganz explizit mit dem arabischen Ostteil Jerusalems als Hauptstadt.
Dieser war von Israel im arabisch-israelischen Krieg von 1967 besetzt und 1980 annektiert worden. Die israelischen Regierungen bezeichnen Jerusalem seitdem als ihre »ewige und unteilbare Hauptstadt«. Weil dies mit der gültigen internationalen Rechtslage kollidiert, wurde es aber bisher von fast allen UNO-Mitgliedern ignoriert. Sie beließen ihre Botschaften in Tel Aviv, auch Deutschland.
Trump, der sich nun über die entsprechende Beschlusslage mit den UN verbundener Gremien hinweggesetzt hat, brachte damit erneut seine Verbündeten in diplomatische Schwierigkeiten. Deutlich wurde das im UN-Sicherheitsrat, der sich auf Antrag mehrerer EU-Mitglieder am Freitag in einer Dringlichkeitssitzung mit der Nahostlage befasste. Auch der Vertreter Deutschland erklärte dort wie nahezu alle anderen Diplomaten, die Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt widerspreche einschlägigen UN-Resolutionen.
Die sonst für ihre Scharfzüngigkeit bekannte Trump-Vertreterin in dem Gremium sah sich nicht in der Lage, schlüssige Begründungen für den Schritt ihres Präsidenten vorzubringen. Nikki Haley führte keine Gegenrede. Dpa zitiert sie mit den Worten, Trump habe lediglich der Tatsache Rechnung getragen, dass Israels Regierung und Parlament in Jerusalem angesiedelt seien. Im übrigen bleibe Trump »dem Friedensprozess verpflichtet«.
Zwar ist den Westeuropäern sichtlich unwohl, dass Trump hier eine Büchse der Pandora geöffnet hat, lautstark protestiert haben sie aber nicht gerade. Die Botschafter der beiden UN-Vetomächte Frankreich und Großbritannien sowie Deutschlands, Italiens und Schwedens erklärten nach der Sitzung laut dpa, dass Trumps Entscheidung »nicht mit den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats übereinstimmt« und die »Friedensperspektive in der Region nicht fördert«. Das war’s.
Draußen, vor dem UNO-Hauptquartier war der Protest nicht lauter, aber eindrucksvoller. Amerikanische Fernsehsender zeigten Bilder von Hunderten betenden Muslimen, die auf diese Weise gegen Trumps Entscheidung protestierten.
Auch die palästinensische Autonomieregierung in Ramallah entschied sich für eine diplomatische Form des Protests. Von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wurde mitgeteilt, er wolle auf ein für die zweite Dezemberhälfte geplantes Treffen mit US-Vizepräsident Mike Pence während dessen Nahostreise verzichten. Ähnliche Kunde kam aus Kairo. Der Groß-Imam der dortigen Al-Azhar-Moschee sagte ebenfalls eine vorgesehene Begegnung mit Pence ab.
In Kairo traf sich auch die Arabische Liga, die 22 arabische Staaten zwischen Marokko und Oman vereint, um über den Schritt der USA zu beraten. Die Reaktion war einhellig, aber mild. Der ägyptische Generalsekretär der Organisation, Ahmed Abul Gheit, erklärte: »Wir rufen alle auf, Palästina als Staat anzuerkennen und Ost-Jerusalem als seine Hauptstadt.« Mit scharfen Erklärungen, gar Sanktionsdrohungen, war auch nicht zu rechnen. Die Wortführer der Liga sind Ägypten und Saudi-Arabien. Beide sind nicht in der Lage, es sich mit den USA zu verderben. Der Militärhaushalt des Landes am Nil wird zu großen Teilen von den USA finanziert, und die Königsclique in Riad muss befürchten, dass ihr Herrschaftssystem kollabiert ohne die US-Berater und -Truppen im Lande.
Einige wenige Unterstützer haben die USA bzw. Israel jedoch für ihre Jerusalem-Politik, auch in der EU. So hat der tschechische Präsident Miloš Zeman die Entscheidung der USA begrüßt. Er forderte die Prager Regierung auf, diesem Schritt zu folgen. Auch die Führung der Freiheitlichen Partei Österreichs, die derzeit mit der Volkspartei über die Bildung einer Regierung verhandelt, könne sich dies vorstellen, sagte ihr Vorsitzender, Heinz-Christian Strache, am Sonntag dem Wiener »Kurier«.
In Tel Aviv demonstrierten am Sonnabend Zehntausende Israelis bei einem »Marsch der Schande« gegen ihren Regierungschef Benjamin Netanjahu - allerdings nicht wegen Jerusalem, sondern weil sie ihm vorwerfen, in mindestens zwei Korruptionsfälle verwickelt zu sein.
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