Von Chaos in der Polizeiakademie keine Spur
Innenausschuss hörte Experten zu angeblichen Zuständen in der Ausbildung von angehenden Ordnungshütern an
Disziplinlosigkeit, Gewalt, kriminelle Unterwanderung - so lauteten die anonymen Vorwürfe zu Zuständen an der Spandauer Polizeiakademie. Dass sich viele der Vorwürfe als unhaltbar erweisen, belegt ein Sonderbericht der Polizei, der am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses diskutiert wurde. Der SPD-Innenexperte Frank Zimmermann (SPD) sagte: »Eine simple Betrachtungsweise sollten wir hier nicht vornehmen. Es sind immer Einzelfälle, die zu betrachten sind. Dennoch gibt es strukturelle Fragen, um die wir uns kümmern müssen.«
Um den Vorwürfen zu begegnen, hatten die rot-rot-grünen Regierungsfraktionen deshalb Dozenten, Personalvertreter und eine Auszubildende der Akademie zur Anhörung geladen. Aus ihren unterschiedlichen Antworten wurde ersichtlich, dass es zwar Schwierigkeiten mit einzelnen Schülern gibt, diese aber nicht ganze Klassen oder Jahrgänge betreffen.
Die Probleme liegen an anderer Stelle: »Wir scheuen uns nicht vor Veränderungen, doch sehen wir, dass die Umstrukturierung der Polizei ein Mangel von Personal mit sich bringt«, sagt die Victoria Kreutzer, Personalvertreterin bei der Polizei. Seit dem Jahr 2013 war die Ausbildung der Polizeieinheiten stetig reformiert worden. Rund 1500 Polizisten werden in diesem Jahr ausgebildet. Ein Klassenlehrer der Akademie muss bis zu fünf Klassen betreuen. Die Betreuung des Einzelnen könne durch den Aufwuchs an Polizeianwärtern nicht gewährleistet werden. »Die Auszubildenden sind 17, 18, 19. Die haben den Ernst des Lebens noch nicht verstanden, wie jemand, der schon mitten im Leben steht«, sagte Kreutzer. Sie bemängelte die Einstellungspolitik der Akademie: »Gerade das erste Personalgespräch wird nicht adäquat durchgeführt. Ich kann mir während des Bewerbungsverfahrens überhaupt kein Bild über die Lebenseinstellung des Bewerbers machen.« Nach Aussage der Personalrätin würde das Einstellungsgespräch mit einem Bewerber nur fünf Minuten dauern.
»Die Kollegenschaft hat das Gefühl, dass immer nur Zahlen zählen und nicht, dass wir mit Menschen arbeiten, die frisch aus der Schule kommen«, kritisierte auch Thorsten Schleheider. Der ehemalige Zugführer und Personalrat bemängelte zudem, dass das Lehrerkollegium nicht genügend in die Reformprozesse eingebunden werde. Und durch den Personalmangel gebe es kaum noch lehrende Zugführer, die etwaigen Verstöße sanktionieren würden.
Beide Befragten dementierten unterdessen den Vorwurf, die Polizei würde von »kriminellen Clans« unterwandert. Der Vorwurf, Auszubildende mit Migrationshintergrund würden besonders oft auffällig werden, wird von ihnen ebenfalls zurückgewiesen. »Ich habe nicht gehört, dass von Migranten Probleme ausgehen«, sagte die Person Kreutzer.
»Ich finde es sehr problematisch, wenn man Menschen mit Migrationshintergrund als Gefahr sieht«, erklärte der Diplom-Psychologe Ahmad Mansour. Der bekannte Autor, der sich unter anderem mit radikalisierten Jugendlichen beschäftigt, forderte eine differenzierte Darstellung der Schwierigkeiten, die auch manchen jungen türkisch- oder arabischstämmigen Polizeischüler betreffen. Mansour sagte, dass es im Durchschnitt pro Klasse etwa einen Schüler gibt, »bei dem ich Bauchschmerzen habe«. Das könne ein deutschstämmiger Polizist mit einer sehr rechtslastigen und ausländerfeindlichen Einstellung sein, oder ein junger Mann mit türkischer oder arabischer Herkunft, der frauenfeindliche oder antisemitische Meinungen vertrete. Beides komme vor und sei nicht zu akzeptieren. Die Probleme sind aber auch Folge einer schlechten Bezahlung, wenigen Bewerbern und einer gesunkenen Qualität der Ausbildung, so Mansour.
Um eine bessere Arbeit der Polizeiakademie bei Bewerberverfahren zu ermöglichen, will der Senat die Akademie nun mit 500 000 Euro unterstützen, mit deren Hilfe 17 zusätzliche Stellen geschaffen werden sollen.
Die oppositionelle CDU fordert derweil weiter einen Sonderbeauftragten für die Polizeiakademie.
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