Wettbewerb soll Kitaausbau beschleunigen
Paritätischer Gesamtverband fordert von Bundesregierung eine Reform der Finanzierung von Kindertagesstätten
Der Ausbau von Kindertagesstätten geht schleppend voran. Jetzt fordert der Paritätische Gesamtverband zehn Milliarden Euro zusätzlich für den Kitaausbau - und eine umfassende Reform der Finanzierung. Zwar hat die Bundesregierung mit dem gesetzlichen Betreuungsanspruch für unter Dreijährige ein massives Investitionsprogramm verknüpft. Doch es fehlen noch immer rund 300 000 Kitaplätze. Der Paritätische sagt nun: Verantwortlich dafür ist ein überkommenes Finanzierungsmodell, das noch aus einer Zeit stammt, als kirchliche Träger den Markt dominierten.
Eine neue Studie des Gesamtverbandes weist auf zwei Hindernisse hin, die aus Sicht der Autoren den Ausbau von Kindertagesstätten blockieren. Dies ist zum einen die kommunale Planung des Kitanetzes. »Die stattliche Jugendhilfeplanung ist uns einfach zu langsam«, beklagt Stefan Spieker, Vorstandvorsitzender von Fröbel e.V., einer Unternehmensgruppe von Kitabetreibern, die die Studie mitfinanziert hat. Spieker will durch mehr Wettbewerb die Schlagzahl im Kitageschäft erhöhen. Kommunen sollen demnach die Kitas nicht länger direkt aus dem Haushalt finanzieren, sondern den Eltern Wertgutscheine ausgeben. Damit würde eine »Nachfragemacht« geschaffen. Tagesstätten müssten sich mit Musik-, Sprachunterricht oder besonderen Essensangeboten profilieren. Als Vorbild nennt Spieker Hamburg, das als einziges Bundesland ein solches Gutscheinsystem eingeführt hat. Es sorgt dort der Markt für die Kitaversorgung. »Und das läuft gut«, meint Spieker.
Bislang wird die Finanzierung von Kindertagesstätten von den Bundesländern geregelt. Das führt zu einem Flickenteppich an Reglements. Doch eines ist in fast allen Ländern gleich. Träger müssen einen Eigenanteil vorweisen, um überhaupt eine staatliche Finanzierung zu erhalten. In Nordrhein-Westfalen liegt dieser Eigenanteil bei neun Prozent des Gesamtbudgets. Kleinere Träger können sich diesen Eigenanteil oft nicht leisten. Das ist das zweite Hindernis, das laut Studie den Kitaausbau verzögert. »Die Kitafinanzierung ist zugeschnitten auf kirchliche Träger«, sagt Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Seiner Ansicht nach sind die Kirchen nicht länger bereit, Geld aufzubringen, um die christliche Weltanschauung in der Gesellschaft zu verankern. Der Grund ist, dass die Einnahmen aus Kirchensteuern Jahr für Jahr sinken. In Köln habe die katholische Kirche deshalb begonnen, sich aus dem Kitamarkt zurückzuziehen.
Dem widerspricht Carsten Schlepper, Vorsitzender des Bundesverbands evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder: »Wir wollen den Eigenanteil beibehalten«. Die Kirchen seien weiterhin bereit, den Eigenanteil aus Kirchensteuern aufzubringen. Damit soll weiterhin die religionspädagogische Ausbildung der Erzieher finanziert werden. In Bremen könnten evangelische Kitas mit übertariflichem Lohn um das beste Personal werben.
Hingegen räumt Sabine Herrenbrück vom Zentrum Bildung der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau ein, dass auch die Kirchen die Kitafinanzierung auf den Prüfstand stellen müssen. Einige Landeskirchen gerieten in Finanzierungsschwierigkeiten; in Rheinland-Pfalz müssten Träger die Sachkosten, darunter auch Heizkosten, vollständig übernehmen.
Selbst die Kirchen überfordert das derzeitige Finanzierungssystem. Für die gezielte Finanzierung christlicher Bildung fehlt an einigen Standorten schon jetzt der Spielraum. Fast vollständig fließt der Eigenanteil dort in die Regelfinanzierung. Trotzdem lehnt die Kirche ein Gutscheinsystem ab. Ihr Argument: Was in Hamburg funktioniert, wird auf dem Land scheitern müssen. Denn allein mit Gutscheinen könne dort wegen der geringen Kinderzahl niemand eine Kindertagesstätte betreiben.
Indes finden freie Träger schon heute Zugang zum Markt. In Berlin gibt es inzwischen rund 60 Kooperationen mit Unternehmen, die im Gegenzug Kitaplätze für den Nachwuchs ihrer Mitarbeiter erhalten. So befindet sich im Firmensitz des Onlinehändlers Zalando neuerdings ein Kindergarten. Dessen Betreiber ist die Fröbel-Gruppe.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.