Hunderte Flüchtlinge an deutschen Grenzen festgenommen

Im ersten Halbjahr wurde in 344 Fällen »Überstellungshaft« angeordnet / Linkspartei beanstandet Personalaufwand im Bundesamt

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. In Deutschland werden mehrere hundert Asylsuchende an den Grenzen festgenommen und in die Nachbarländer zurückgeschickt, aus denen sie eingereist waren. Im ersten Halbjahr 2017 ordneten die Amtsgerichte in 344 Fällen diese sogenannte Überstellungshaft an. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der LINKEN hervor.

Die nach den Dubliner Verträgen benannte »Dublin-Haft« betrifft Flüchtlinge, die sich auf ihrem Weg nach Deutschland zunächst in einem anderen EU-Land registrieren haben lassen und deswegen nach geltenden EU-Verträgen dahin zurück müssen, um dort Asyl zu beantragen. Die Haft soll die Abschiebung des Schutzsuchenden sicherstellen. Die Bundespolizei hatte von Februar bis Ende Juli in 364 Fällen diese Haft beantragt, in 20 Fälle wurde der Antrag abgelehnt. Die »Dublin-Haft« hat nichts mit der Abschiebehaft von abgelehnten Asylbewerbern zu tun, die in ihre Herkunftsländer zurück müssen.

Für Deutschland ist das Dublin-System trotz des großen Aufwands, den die Behörden betreiben müssen, nahezu ein Nullsummen-Spiel, wie die Zahlen in der Antwort der Bundesregierung zeigen: Im dritten Quartal 2017 überstellte Deutschland 1863 abgelehnte Asylbewerber wieder in andere EU-Staaten - nahm aber zugleich 1676 Menschen aus den gleichen Gründen zurück. »Welch ein Irrsinn zulasten der Menschen«, kommentierte die Innenexpertin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke. Im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind laut Bundesregierung 316 Mitarbeiter ausschließlich damit beschäftigt, das Dublin-System bürokratisch zu verwalten. »Ihre Arbeitskraft wäre in fairen und schnellen Asylverfahren viel besser eingesetzt«, so Jelpke.

Um alle Asylverfahren insgesamt zu beschleunigen, setzt die Bundesregierung weiterhin auf das Instrument der »sicheren Herkunftsstaaten«. Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch einen Bericht, demzufolge die bisher als sicher eingestuften Länder alle Voraussetzungen erfüllen, um es bei der bisherigen Praxis zu belassen. Die Bundesregierung hat bislang acht Länder als sicher eingestuft, um Asylverfahren von Geflüchteten aus diesen Ländern zu beschleunigen. Es sind dies die Balkan-Staaten Albanien, Serbien, Montenegro, Kosovo, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina sowie die afrikanischen Länder Senegal und Ghana.

Bundesinnenminister Thomas De Maizière will das Konzept auf weitere Staat ausdehnen. Die Große Koalition hatte in der vergangenen Legislaturperiode ein Gesetz zur Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als »sicher« beschlossen, das aber im Bundesrat scheiterte. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -