Warum »Bild« über die G20-Fotofahndung jubelt

Bereits mehr als 50 Hinweise bei der Soko »Schwarzer Block« eingegangen / Jelpke: »Steckbriefe wie zu Zeiten der RAF-Hysterie«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Wegen der »Bild«-Titelgeschichte mit der Schlagzeile »Polizei sucht diese Krawall-Barbie« und polizeilichen G20-Fahndungsfotos haben den Deutschen Presserat bis zum Dienstagmittag drei Beschwerden erreicht. »Wir werden die Beschwerden aufgrund des Pressekodex prüfen und zeitnah entscheiden, ob wir ein Beschwerdeverfahren einleiten«, teilte Sonja Volkmann-Schluck vom Presserat dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. Als »Krawall-Barbie« bezeichnete die »Bild«-Zeitung (Dienstag) eine junge blonde Frau mit bauchfreiem Top, die laut der Zeitung bei dem G20-Gipfel im Juli in Hamburg randaliert haben soll.

Zudem veröffentlichte die »Bild«-Zeitung weitere ausgewählte G20-Fahndungsfotos der Polizei. Damit suchen die Behörden laut »Bild« nach mutmaßlichen Straftätern. Die Personen sollen sich an Plünderungen und Randalen beteiligt haben. Bereits zuvor hatte die Sonderkommission »Schwarzer Block« der Polizei Hamburg über hundert Fotos von mutmaßlichen Straftätern veröffentlicht.

Im vergangenen September hatte der Presserat den Artikel »Gesucht! Wer kennt diese G20-Verbrecher?« der »Bild«-Zeitung missbilligt. Der Presserat hatte hierzu 11 Beschwerden erhalten, die im Kern eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten und einen Medienpranger kritisierten.

Aufgrund des überragenden öffentlichen Interesses an dem Geschehen in Hamburg sah der Presserat damals keinen Verstoß gegen den Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 des Kodex. Jedoch verstieß die Art der Darstellung – mit Foto und eingeklinktem Porträtbild – in Verbindung mit dem Fahndungsaufruf gegen den Pressekodex, da die Betroffenen an einen öffentlichen Medienpranger gestellt wurden.

Mehr als 50 Hinweise zu G20-Fotofahndung

Unterdessen zeigte der Polizei-Pranger eine erste Wirkung: Einen Tag nach Beginn der öffentlichen Fahndung hat sich einer der Verdächtigen bei der Hamburger Polizei gemeldet. Ein Polizeisprecher bestätigte am Dienstag Medienberichte, wonach der Mann eingeräumt habe, an der Plünderung eines Supermarkts beteiligt gewesen zu sein. Darüber hinaus gingen bei der Polizei mehr als 50 Hinweise ein.

Während es besonders aus den Reihen der Union Zuspruch für die umstrittene Maßnahme gab, stößt diese unter Linken weiter auf Kritik. Besonders die zusammen mit den Fahndungsfotos veröffentlichten Videos riefen bei der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft Skepsis hervor. »Das ist Stimmungsmache und ich frage mich, wie ein solches Vorgehen durch ein Gericht abgesegnet werden konnte«, erklärte die innenpolitische Sprecherin Christiane Schneider. Durch die Veröffentlichung ihrer Fotos drohe den abgebildeten Personen lebenslange Stigmatisierung, egal ob sie verurteilt würden oder nicht.

In der ARD-»Tagesschau« (Montag) sagte die LINKEN-Abgeordnete, der Leiter der Soko »Schwarzer Block« habe angekündigt: »Wir kriegen viele von euch, da könnt ihr sicher sein.« Schneider weiter: »Das hört sich an nach Menschenjagd.« Die LINKEN-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke sprach von »Steckbriefen wie zu Zeiten der RAF-Hysterie«. Telefonhotlines öffneten außerdem Denunziantentum Tür und Tor. Agenturen/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.