Machtdemonstration - für wen?
Die Sanktionen gegen Polen könnten Brüssel selbst treffen, glaubt Uwe Sattler
Sie haben es getan. Am Mittwoch hat die EU-Kommission das Rechtsstaatsverfahren, eine gern als Atombombe des EU-Rechts bezeichnete Strafmaßnahme, gegen Polen eingeleitet. Anlass dafür ist die Einschränkung der Unabhängigkeit der Justiz. Bravo, möchte man rufen, endlich wird durchgegriffen.
Nur: Dass es tatsächlich zu Sanktionen gegen Warschau kommt, ist nicht zu erwarten. Spätestens, wenn im Rat darüber entschieden und Einstimmigkeit der Regierungen verlangt wird, dürfte sich die Visegrad-Gruppe hinter Polen stellen und sich die Bombe als Blindgänger erweisen. Zumal es schon längst nicht mehr allein um die Unabhängigkeit der polnischen Justiz geht. Im Hintergrund stehen Fragen wie die Aufnahme von Geflüchteten, der wirtschaftliche Missbrauch von Regierungsämtern oder die Einschränkung demokratischer Grundrechte, bei der Polen, Ungarn, Tschechien & Co. der EU-Kommission auf der Nase herumtanzen - und diese mit hilflosen Drohgebärden reagiert. Der »Fall Polen« bietet für die Osteuropäer, die in der EU immer lautstärker auftreten, die Gelegenheit zur Machtdemonstration. Zumal sie sich dabei auf Westeuropa berufen können: Auch dort gelten die angeblich gemeinsamen europäischen Werte nichts, wenn es um einseitige nationale Interessen geht.
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