• Politik
  • Arbeitsrechte in Nordrhein-Westfalen

Schwarz-gelbe Freiheit

NRW-Regierung spricht von Entfesselung und meint weniger Schutz für Beschäftigte

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet ist ein freundlicher Mann. Wenn der CDU-Politiker in Talkshows und auf Empfängen spricht, macht er in der Regel einen sympathischen Eindruck. Die schwarz-gelbe Koalition mit Laschet an der Spitze regiert seit einem halben Jahr im größten Bundesland, und mittlerweile haben sich einige Redewendungen, die er oft benutzt, eingeprägt. Regelmäßig sagt er etwa, dass er Ökonomie und Ökologie »versöhnen« wolle. Oder dass Nordrhein-Westfalen ein Vorreiter sein müsse, was soziale Standards angehe. In seiner Regierungserklärung erinnerte Laschet sogar an den CDU-Politiker Karl Arnold, der von 1947 bis 1956 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen war und zu den prominenten Vertretern des sozialen Flügels innerhalb der Union gehörte.

Das Bild, das Laschet von sich und der Landesregierung zeichnet, passt allerdings nicht zu den bisherigen Beschlüssen der CDU-FDP-Koalition. Besonders die beim Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart von der FDP angesiedelten Entfesselungspakete sorgen für heftige Kritik von Umweltverbänden und Gewerkschaften.

Die rot-grünen Landesregierungen hatten in den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte auf den Weg gebracht, die Sozial- und Umweltstandards erhöht haben. Das gilt zum Beispiel für das Tariftreuegesetz, das bei öffentlichen Aufträgen neben dem Preis auch andere Faktoren in die Vergabe einbezog. Unternehmen, die Tariflöhne bezahlen und nachhaltige Rohstoffe nutzen, wurden bevorzugt. So konnten bei der Beschaffung von Berufsbekleidung Nachweise verlangt werden, dass diese nicht von Kindern in der Dritten Welt genäht wurden. Das Gesetz wird nun von Schwarz-Gelb geändert. Nachweise werden künftig nicht mehr verlangt. Das soll laut Landesregierung dem Bürokratieabbau dienen.

Christian Wimberger von der Christlichen Initiative Romero kritisierte die Landesregierung dafür bereits im November scharf, als er 50 000 Unterschriften gegen die Abschaffung des Tariftreuegesetzes an den NRW-Landtag übergab: »Auf der UN-Klimakonferenz in Bonn sagte Ministerpräsident Armin Laschet kürzlich, NRW sei auf dem Weg in ein neues Zeitalter der Nachhaltigkeit. Wenn er nun grundlegende Sozialstandards und Umweltnormen abschafft, tut er genau das Gegenteil von dem, was er sagt.«

Auch vom DGB hagelt es Kritik an der Wirtschaftspolitik und den sogenannten Entfesselungspaketen der neuen Landesregierung: Schwarz-Gelb sei sehr passiv gewesen, als es um die Fusion von Thyssen-Krupp Steel mit Tata ging. Man habe sich nicht gegen die Verlagerung des Unternehmenssitzes in die »Steueroase« Niederlande gestellt und sei nicht an der Seite der vom Jobabbau betroffenen Arbeiter gewesen. Zur Begründung habe die Regierung erklärt, dass sie sich nicht in Unternehmensentscheidungen einmischen könne. Kein Problem hat Schwarz-Gelb damit, die Situation von Beschäftigten zu verschlechtern, etwa im Einzelhandel. Künftig sollen Geschäfte an acht Sonntagen im Jahr geöffnet werden können. An Samstagen sollen Geschäfte bis 24 Uhr öffnen können.

Der nordrhein-westfälischen DGB-Chefin Anja Weber stößt dies sauer auf: »Die Ausweitung der Ladenöffnungen an Sonntagen wird die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel weiter verschlechtern. Aus Erfahrung wissen wir, dass längere Öffnungszeiten Tarifflucht und prekäre Beschäftigungsverhältnisse befördern.« Auch dass solche Entscheidungen von der Landesregierung alleine getroffen werden, passt der Gewerkschafterin nicht. »Nicht nachvollziehbar ist für uns, warum die Landesregierung den Runden Tisch abgeschafft hat. Anstatt mit Gewerkschaften, Kirchen und andere Akteuren zu versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu finden, regiert Schwarz-Gelb über die Köpfe der Menschen hinweg.«

Manchmal geht es Schwarz-Gelb allerdings auch gar nicht darum, die Wirtschaft zu entfesseln, sondern darum »grünen Ideologieprojekten« Steine in den Weg zu legen. Windkraftanlagen sollen in NRW künftig 1500 Meter entfernt von Wohnhäusern stehen. Dass einer Branche mit Tausenden Beschäftigten mit dieser Maßnahme geschadet wird, scheint nachrangig.

Insgesamt zeigt die NRW-Landesregierung mit ihren wirtschaftspolitischen Entscheidungen aus dem ersten halben Jahr ihrer Regierungszeit, wohin die Reise geht. Arbeitnehmerrechte werden geschliffen. Vorgaben für Unternehmen, wie sie etwa das Tariftreuegesetz vorsah, werden abgebaut.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!