Luftschloss bleibt Luftschloss
Hessen: Ein von Anbeginn überflüssiger Kleinflughafen wird auch 2018 viel Geld schlucken
Es war unmittelbar vor der Weihnachtspause, als Hessens schwarz-grüne Koalition mit einem Evaluationsbericht ein Bekenntnis zu dem umstrittenen defizitären nordhessischen Regionalflughafen in Calden (Landkreis Kassel) ablegte. Damit hat die Forderung von Kritikern nach einer Herabstufung des kaum genutzten Airports zum Luftlandeplatz keine Chancen auf Umsetzung.
Das von dem federführenden Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) sowie Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) vorgelegte Dokument sichert dem Millionengrab »Kassel Airport« die Existenz als Flughafen. Mit der Präsentation des Papiers entsprechen die Regierungsparteien einer Anfang 2014 im Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode abgeschlossenen Vereinbarung. Um den Koalitionsfrieden im neuen schwarz-grünen Bündnis nicht zu gefährden, hatte die einstige Ökopartei damals nachgegeben und dem Weiterbetrieb unter der Maßgabe zugestimmt, dass ein Evaluationsbericht bis Ende dieses Jahres die weitere Zukunft von »Kassel Airport« klären sollte.
Der Ausbau des langjährigen Luftlandeplatzes bei Calden und seine Aufwertung zum internationalen Flughafen hat bereits einen dreistelligen Millionenbetrag verschlungen. Laut Ankündigung seiner Förderer sollte das Vorhaben dem traditionell strukturschwachen nördlichen Hessen zu neuer Blüte verhelfen. Das Projekt »Kassel Airport« war schon unter der bis 2014 regierenden CDU/FDP-Koalition in Angriff genommen worden und wird bis zum heutigen Tage uneingeschränkt auch von der oppositionellen SPD begeistert unterstützt, die in Nordhessen seit Jahrzehnten ihre kommunalen Hochburgen hat. Demgegenüber gehörten viele Grüne und die LINKE stets zu den Kritikern des Projekts.
Dass ein eigener Airport für Nordhessen im Grunde überflüssig ist, zeigt die schwache Auslastung der Anlage seit der Inbetriebnahme. Während rund 200 Kilometer südlich die Anwohner des Frankfurter Rhein-Main-Flughafens angesichts von Starts und Landungen im Minutentakt über Lärm und Umweltbelastungen klagen, herrscht am Terminal in Calden meist gähnende Leere. Mehrfach wurden Flüge von Reiseveranstaltern gestrichen, weil ein Taxi-Transfer von Fluggästen zum rund 70 Kilometer westlich gelegenen Flughafen Paderborn/Lippstadt offensichtlich preisgünstiger war.
Die vom Land Hessen und mehreren Kommunen getragene Betreibergesellschaft verzeichnet weiterhin ein hohes Defizit in Millionenhöhe. Entgegen den Wünschen der Landesregierung lässt sie sich daher auch kaum an private Investoren verkaufen. Der Landesrechnungshof hatte das Flughafenausbauprojekt ebenfalls kritisiert.
Neben Paderborn/Lippstadt und Frankfurt am Main sind im Umkreis von maximal 200 Kilometern zudem auch in Hannover, Erfurt, Dortmund, Münster/Osnabrück internationale Verkehrsflughäfen in Betrieb. »Kassel Airport« leidet zusätzlich darunter, dass es keine direkte Bahn- oder Autobahnanbindung gibt und der Linienbus ab dem ICE-Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe für die Strecke rund 40 Minuten benötigt.
»Nicht alles ist gut am Flughafen: Der Start war holprig, es gab immer wieder Rückschläge und die Passagierzahlen sind von dem, was einst prognostiziert wurde, weit entfernt«, erklärte Hessens Finanzminister Schäfer bei der Präsentation des von externen Gutachtern und Wirtschaftsprüfern erarbeiteten Evaluierungsberichts. Die Erfahrung zeige aber auch, dass der Airport Arbeitsplätze schaffe und dem Land und der Region nicht nur Ausgaben, sondern auch Steuereinnahmen und weitere Entwicklungsmöglichkeiten beschere.
»Wir haben den Bedarf für diesen Flughafen und dessen Erfolgsaussichten stets skeptisch gesehen«, erklärte die Landtagsabgeordnete Karin Müller von den Grünen. Die in den Ausbau investierten Steuergelder seien nun mal weg und ließen sich nicht zurückholen.
»Wirtschaftsförderung in Hessen muss mehr sein als der Weiterbetrieb eines Flughafens, für den Steuergelder in Millionenhöhe verpulvert werden«, erklärte hingegen der Abgeordnete Jan Schalauske von der Linkspartei. Für ihn ist der Airport »eine verkehrsberuhigte Luftfahrtanlage mit angeschlossenem Gewerbegebiet«. Der Evaluationsbericht liefere keinerlei Argumente, warum die Förderung des defizitären Regionalflughafens eine sinnvolle wirtschaftliche Unterstützung Nordhessens darstellen könne. Dass die Gemeinde Calden, die an der defizitären Flughafenbetreibergesellschaft zu sechs Prozent beteiligt ist, nun die Grundsteuer um mehr als 60 Prozent erhöhen wolle, sei »zutiefst unsozial, weil diese Steuer gerade Menschen mit kleineren Einkommen überproportional belastet«, beklagt Schalauske.
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