Flammkuchen
Zu den fiesesten Gemeinheiten, denen man in Berlin bei der Suche nach etwas Essbaren begegnen kann, gehört der Flammkuchen. Beziehungsweise das, was in offensichtlich betrügerischer Absicht unter diesem Namen als »elsässische Spezialität« verkauft wird. Meistens handelt es sich um eine pappig schmeckende Pseudo-Pizza, gerne mit labbrigem bröseligem Teigboden, belegt mit nicht mehr ganz frischem Lauch, penetrant übersalzenen Billig-Speckwürfeln und einem schwer definierbaren Milchprodukt.
Besonders beliebt ist der Flammkuchen im Herbst, wenn dazu ein eigentlich nicht verkehrsfähiges Getränk namens »Federweißer« gereicht wird. Also angefaulter, süßlicher Traubenmost, der im Magen fröhlich weiter gärt und unweigerlich Kopfschmerzen und Blähungen bis hin zu schweren Durchfallattacken auslöst. Aber da es der weltgewandte Hauptstädter gerne auch »französisch« mag, finden die öden Teigfladen auch in anderen Jahreszeiten ihre Abnehmer.
Lange Zeit galt die überregional bekannte Touristenfalle »Kuchenkaiser« am Kreuzberger Oranienplatz als beste Adresse für die akzeptable Zubereitung dieser Speise. Doch seit zweieinhalb Jahren hängt der Berliner Flammkuchenhammer in Moabit (wo auch sonst!). Denn da eröffnete das »RosaLisbert« in der halbgentrifizierten Markthalle, und die wissen, wie das geht. Hefeteigball (200 Gramm) in die Teigpresse, die einen millimeterdünnen Fladen ausspuckt. Der wird quadratisch zugeschnitten, mit Schmand bestrichen sowie (in der klassischen Variante) mit Zwiebeln und Speck belegt und in den Ofen geschoben. Dieser ist bei »RosaLisbert« ein aufwendig gemauertes Unikat, das mit Buchenholz beheizt wird und Temperaturen bis 450 Grad Celsius entwickelt. Wichtig ist, das die Flammen stets ein wenig um den Fladen züngeln. Nach zwei Minuten kommt diese kross-knusprige und dennoch saftige Spezialität auf einem Holzbrett serviert auf den Tisch. Auch in anderen Varianten, z.B. mit Trüffeln oder Pferdeschinken.
Schnell wurde das »RosaLisbert« Everybody’s Darling und in den Gazetten abgefeiert. Dazu kamen obskure Auszeichnungen wie »Szenerestaurant des Jahres«. Außer den Flammkuchen genoss auch die dort angebotene solide elsässische Bistroküche einen guten Ruf. Das Betreiberpaar wollte dann am ganz großen Rad drehen und in der 100-Euro-Gala-Menü-Liga mitspielen, nebst Weinkarte für die oberen Zehntausend. Das ging ziemlich schief, denn für Herrn und Frau Reich ist das Ambiente einer Markthalle, in der sich auch Normalos herumtreiben und 30 Meter weiter Bratwurst und Bouletten essen, dann wohl doch zu rustikal. Und auch sonst knirschte es. Der Verschleiß an Köchen und Servicekräften erreichte Tempo und Dimensionen, die man sonst nur bei Bundesliga-Trainern kennt. Doch jetzt scheint sich alles wieder ein wenig beruhigt zu haben. Ich kann versichern, dass sich an der Kernkompetenz des »RosaLisbert« für herausragenden Flammkuchen nichts geändert hat. Und mehr will ich ja auch gar nicht.
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