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Die Fratze Francos ist zurück
Der Konflikt um Katalonien hat die extreme spanische Rechte wiederbelebt
Drei Monate ist es her, dass Millionen Katalanen in einem illegalen Referendum über die Möglichkeit eines eigenen Staates abgestimmt haben. Dem beabsichtigten Ziel einer eigenen katalanischen Republik ist man keinen Schritt näher gekommen. Im Gegenteil. Die Zentralregierung in Madrid hatte mit einem Arsenal an Zwangsmaßnahmen auf die abtrünnigen Katalanen geantwortet, einige zentrale Figuren der Unabhängigkeitsbewegung ins Gefängnis gesteckt, die katalanische Selbstverwaltung außer Kraft gesetzt und Neuwahlen für Ende Dezember einberufen.
Doch der Drang nach Unabhängigkeit hat noch eine andere, unbeabsichtigte Folge: »Die extreme Rechte ist so präsent wie seit dem Ende des Franco-Diktatur nicht mehr.« Das sagt nicht irgendwer, sondern Jordi Borras, ein Journalist und Schriftsteller, der die Entwicklung der spanischen Rechten seit Jahren verfolgt und als einer ihrer profundesten Kenner gilt.
Tatsächlich brodelt es auf den Straßen von Katalonien: 120 Attacken durch Rechtsradikale zählt Borras seit dem Referendum am 1. Oktober. Häufig trifft es Journalisten, besonders solche, die für katalanische öffentlich-rechtliche Medien arbeiten. Bei großen Kundgebungen wie am 8. Oktober in Barcelona, demonstrierten Mitglieder der in Madrid regierenden rechten Partido Popular (PP) gemeinsam mit bekennenden Rechtsextremen für die Einheit Spaniens.
Am nächsten Tag betrieben Faschisten in Valencia unter »Sieg-Heil!«-Rufen Hetzjagd auf Linke und Separatisten. Und Pablo Casado, zuständig für »Kommunikation« in der PP, machte den katalanischen Ex-Präsidenten Carles Puigdemont mit drohendem Unterton darauf aufmerksam, er könne wie Lluís Companys enden. Companys war von 1933 bis 1940 Präsident der katalanischen Generalitat wie Puigdemot bis er von Madrid geschasst wurde. Companys wurde 1940 auf Befehl Francos in Barcelona erschossen.
Der Konflikt zwischen katalanischer Peripherie und madrilenischem Zentralstaat hat den spanischen Nationalismus neu entfacht. In ihrer Ablehnung der Unabhängigkeitsbewegung haben die verschiedenen Lager der Rechten wieder zu einem gemeinsamen Projekt gefunden. »Die Einheit Spaniens zu garantieren, war schon immer ein zentrales Element in dem Diskurs der Rechten in Spanien«, erklärt Borras. Das Thema Migration spiele hingegen eine untergeordnete Rolle. Auch deshalb sind Bewegungen wie etwa der iberische Ableger der »Identitären« in Spanien eher bedeutungslos.
Eine wirkliche Aktualisierung des Diskurses der neuen Rechten hätte es in Spanien nie gegeben, erklärt Borras. Das liegt auch daran, dass es in Spanien nie einen wirklichen Bruch mit der franquistischen Diktatur gab. Sieben Politiker waren nach dem Tod Francos mit der Ausarbeitung der Verfassung betraut. Vier von Ihnen stammten aus dem ehemaligen franquistischen Lager. Einer von ihnen, Manuel Fraga Iribarne, war Minister unter Franco. Er gründete nach dem Tod des Generalissimo die Alianza Popular, die sich später in Partido Popular umbenannte, Die PP stellt seit 2011 mit Mariano Rajoy wieder den Ministerpräsidenten Spaniens.
Die Rechte in Spanien ist stark, weil sie sehr eng mit den bestehenden Parteien verbunden und immer noch sehr präsent in Teilen des Staatsapparats ist. »Sie ist in der Lage, den politischen Diskurs vor allem der großen konservativen Parteien mitzubestimmen, auch ohne eine eigene parteiförmige Organisation zu brauchen«, meint Borras. Für diese These sprechen auch Daten des spanischen Sozialforschungsinstitut CIS. Bei der Untersuchung der spanischen Wahlen im Jahre 2011 haben acht von zehn Personen, die sich selbst als rechtsradikal verorten, die PP gewählt. »Das ist charakteristisch für die Struktur der spanischen Rechten«, erklärt Borras »Ein Teil der rechtsradikalen Bewegung wählt konservative Parteien, weil sie sich in deren Politik durchaus repräsentiert fühlen und glauben, ihren politischen Zielen damit Ausdruck verleihen zu können.«
Ein weiteres Indiz dafür sind die am 21. Dezember abgehaltenen katalanischen Wahlen. Zwischen vier und acht rechtsradikale Splitterparteien sind regelmäßig bei Wahlen in Katalonien angetreten. Dieses Mal trat keine an, um den sogenannten »konstitutionalistischen Block«, also jene Parteien die sich für die Einheit Spaniens und gegen die Reformierung der Verfassung stellen, nicht zu schwächen.
Im Zuge des Wahlkampfes warf der Parteivorsitzende der Linkspartei Podemos, Pablo Iglesias, der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung vor, sie hätte »das Gespenst des Faschismus aufgeweckt«. Mit seiner Partei versucht er, eine Position zwischen den Blöcken von Unabhängigkeitsbefürwortern und Konstitutionalisten einzunehmen. Doch diese Äußerung brachte ihm viel Kritik ein. »Die Unabhängigkeitsbewegung hat die extreme Rechte nicht aufgeweckt. Sie hat nie geschlafen«, meint Borras. »Durch die Bewegung hat die extreme Rechte ihre Macht in Gefahr gesehen. Das hat sie gezwungen, aus der Deckung zu kommen.«
Die kompromisslose und halsstarrige Politik von Mariano Rajoy in dem Konflikt um Katalonien hängt eng mit dem langen Schatten des Franquismus in Spanien zusammen. Die Regierung Rajoy selber hat immer wieder das Zerrbild des drohenden Staatsverfalls bedient und damit auch der extremen Rechten zu einer neuen Legitimität verholfen, die dieses Bild dankbar auf die Straße getragen hat. Derweil ist Rajoy selber in einer schwierigen Position. Er muss seine Politik vor einem technokratischen und gemäßigterem Sektor in seiner Partei verteidigen. Dieser ist an einer schnellstmöglichen Rückkehr zur Normalität und daher an Verhandlungen mit der katalanischen Regierung interessiert.
Gleichzeitig muss Rajoy die Hardliner in seiner Partei zufriedenstellen und dafür sorgen, dass es nicht spanienweit zu Stimmenwanderungen zu Gunsten der unionistischen Partei Ciudadanos (Bürger) gehen. Diese Partei wurde 2006 in Katalonien unter dem katalnischen Namen für Bürger Ciutadans gegründet und expandierte 2015 nach Spanien. Bei den Regionalwahlen am 21. Dezember gingen die Ciutadans als stärkste Partei hervor - vor allem auf Kosten von Rajoys PP. Dass sich dies nicht auf Ebene des spanischen Staates wiederholt, wird die Maßgabe für die Politik Rajoys in der nächsten Zeit sein.
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