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  • Französisch-chinesische Beziehungen

Macron wirbt in China um Marktzugang

Frankreichs Präsident will in Peking über wirtschaftliche Zusammenarbeit reden und die Menschenrechte aussparen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit dem ihm eigenen Sinn für Symbolik beginnt Präsident Emmanuel Macron heute einen dreitägigen Besuch in China in Xian, der Hauptstadt der Provinz Shaanxi. Aus der Stadt, die durch die Ausgrabung von Königsgräbern mit einer Armee lebensgroßer Krieger aus Terrakotta international bekannt wurde, stammt die Familie von Präsident Xi Jinping. Hier hält Macron eine programmatische Rede über die französisch-chinesischen Beziehungen, die sich an der in seinem schon 2016 erschienenen Buch »Révolution« zum Ausdruck gebrachten Überzeugung orientieren dürfte, wonach China keine »Gefahr«, sondern eine »Chance« darstellt.

Am Dienstag beginnen dann in Peking mit einer Begegnung Macrons mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi und mit Premier Li Keqiang die politischen Gespräche. Der französische Präsident ist der erste europäische Staatsmann, mit dem Xi seit dem 19. Kongress der KP im vergangenen Oktober, der ihn für weitere fünf Jahre an der Spitze der Partei und des Landes bestätigte, zusammentrifft. Macron will das Interesse Pekings an seinen Vorstellungen für eine Erneuerung des Europaprozesses nutzen, um sich als Sprecher der Union zu profilieren, zumal Chinas bisheriger Wunschpartner Deutschland wegen der sich hinziehenden Koalitionsverhandlungen handlungsunfähig geworden ist. Der Moment sei günstig, um mit Xi Jinping über die Zukunft des Multilateralismus und den Platz Pekings bei der Lenkung der Geschicke der Welt zu diskutieren, verlautete vor dem Besuch aus dem Elysée. Beide Seiten seien an einer »globalen strategischen Partnerschaft« interessiert. Dazu gehört eine gemeinsame Vorreiterrolle im Kampf gegen den Klimawandel, nachdem die USA das Abkommen des Pariser Klimagipfels aufgekündigt haben. Mit der Ankündigung eines »CO2-Marktes« hat China hier Anfang Dezember eine wichtige Vorleistung gebracht.

Zu den großen internationalen Herausforderungen, die Macron mit Xi besprechen will, gehört die Gefahr, die von der aggressiven Atomrüstung Nordkoreas ausgeht, und der Kampf gegen den internationalen Terrorismus, vor allem im Nahen Osten und in der Sahelzone. Am Rande des Besuchs, zu dem der Präsident auch mehrere Minister und mehr als 50 Unternehmer in seine 100-köpfige Delegation aufgenommen hat, werden voraussichtlich mehrere Dutzend Abkommen unterzeichnet, so über die weitere Zusammenarbeit im Flugzeugbau, der Atomenergie, der Informatik und der Altenpflege.

Wie mehrere Präsidenten vor ihm, so hat sich auch Macron vorgenommen, das Problem des enormen Außenhandelsdefizits gegenüber China anzupacken, das bei 30 Milliarden Euro liegt. Der Schlüssel dafür ist der gleichberechtigte Zugang zum chinesischen Markt, den Peking seit Jahren offiziell zusichert, in der Praxis aber unterläuft. Nach wie vor beklagen sich französische Unternehmen über die Bevorzugung chinesischer Konkurrenten durch bürokratische oder Zollhürden. Diese Probleme wird Macron in seiner charmanten, aber im Kern unmissverständlichen Art ansprechen. Als er noch Wirtschaftsminister war, rief er Anfang 2016 die anderen EU-Mitgliedsländer auf, sich gemeinsam gegen die chinesischen Stahlexporte zu Dumpingpreisen zu wehren. Kaum war er zum Präsidenten gewählt, hat er seine europäischen Partner für eine schärfere Kontrolle strategischer Investitionen Chinas in Europa mobilisiert. Wie das geht, macht Frankreich mit einer Gesetzgebung vor, die der Regierung ein Vetorecht einräumt. Das betrifft alle Versuche ausländischer Konzerne, in Frankreich Unternehmen auf strategisch wichtigen Gebieten wie Verteidigung, Energie, Verkehr, Wasserversorgung oder Gesundheit zu übernehmen.

»Angesichts dieser Palette gewichtiger Themen dürfte Macron bestenfalls am Rande die Besorgnisse über das Demokratiedefizit in China und die Verfolgung jeglicher Opposition ansprechen«, meint Valérie Niquet von der Stiftung für Strategische Forschungen, »zumal man weiß, wie allergisch Xi auf derartige Vorwürfe zu reagieren pflegt.«

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