Whistleblower am Scheideweg

In Luxemburg wird vielleicht ein letztes Mal über den LuxLeaks-Skandal verhandelt

  • Luc Caregari, Luxemburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Es ist ein schwieriges Urteil, das die Richter am großherzoglichen Kassationsgericht am Donnerstag in Luxemburg fällen müssen. Die Vorlage, der richterliche Beschluss aus zweiter Instanz, ist nämlich schwer zu interpretieren. Einerseits bekräftigt diese, dass die beiden Angeklagten Antoine Deltour und Raphaël Halet als Whistleblower handelten, als sie dem Journalisten Edouard Perrin die Datenträger übergaben, auf denen sich die berüchtigten Tax Rulings befanden - Vorabvereinbarungen zwischen Multis wie Amazon oder Google und dem luxemburgischen Fiskus, ausgehandelt von der Beraterfirma PWC. Andererseits verurteilte das Gericht die beiden Whistleblower wegen des Diebstahls eben dieser Daten.

Mit ihrem Leak halfen Deltour und Halet, einen der größten Steuerskandale Europas öffentlich zu machen. Die auch LuxLeaks genannten Veröffentlichungen zeigen, wie das Großherzogtum Hunderten Konzernen half, auf Kosten der Nachbarländer Milliarden an Steuern zu vermeiden. Dies brachte auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Bedrängnis. Als einstiger Luxemburger Finanz- und Premierminister war er verantwortlich für diese Deals.

Bekräftigt nun das Gericht am Donnerstag das Urteil der vorherigen Instanz, ist für die Whistleblower der Weg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte offen. Beide Angeklagten haben inzwischen bekräftigt, für diesen Schritt bereit zu sein. Denn die Chancen sind gering, dass die europäische Justiz ein ähnlich zweideutiges Urteil fällen wird. Die Richter in Straßburg stecken nicht in derselben Zwickmühle wie ihre luxemburgischen Kollegen. Sie müssen nicht abwägen zwischen juristischen und wirtschaftlichen Interessen. Die andere Möglichkeit - das Gericht kassiert das Urteil - würde heißen, dass die Whistleblower sich ein weiteres Mal vor der luxemburgischen Justiz verantworten müssen.

Parallel zum Prozess in Luxemburg läuft eine weiteres Verfahren am »Tribunal de Grande Instance« im lothringischen Metz. Nur sitzen dort die Vertreter von PWC auf der Anklagebank - verklagt von Halet und Perrin. Der Beraterfirma wird vorgeworfen, beim Ersuchen einer privaten Hausdurchsuchung im Familienhaus von Raphaël Halet gelogen zu haben. Denn es ging nicht, wie von PWC behauptet, nur darum, festzustellen, dass Halet Daten entwendet hatte, sondern vielmehr darum, herauszufinden und zu belegen, dass Halet die Daten an den Journalisten Perrin weitergegeben hat. Deshalb wurden bei der Durchsuchung, der die französische Gendarmerie beiwohnte, nicht nur Dokumente mitgenommen, sondern auch der gesamte E-Mail-Verkehr Halets kopiert.

Für die beiden Kläger sieht es nicht schlecht aus. Die Metzer Staatsanwaltschaft sagt, dass die Erlaubnis zur Hausdurchsuchung zu annullieren sei, da sie gegen den journalistischen Quellenschutz verstoße. PWC indes versucht sich herauszureden, indem sie die Glaubwürdigkeit von Perrin in Frage stellte. Das Urteil in erster Instanz soll am 6. Februar gefällt werden.

Aber auch die luxemburgische Regierung scheint sich auf das Urteil vorzubereiten. Der LuxLeaks-Skandal hat lange dem Ansehen des Landes geschadet, so dass die Regierung sich gezwungen sah, in die Offensive zu gehen. Mit einer Kampagne wurde versucht, das Image des Großherzogtums aufzupolieren, während hinter den Kulissen in Brüssel immer noch hart verhandelt wird.

Wenn die Regierung aber etwas von sich aus tut, wird dies natürlich gerne der Öffentlichkeit zugetragen. So geschehen am vergangenen Montag, als das Finanzministerium gleich zwei parlamentarische Antworten zum Thema Tax Rulings veröffentlichte. In der ersten ging es um die Einnahmen Luxemburgs aus den seit 2015 gemachten Tax Rulings: Zehn Millionen Euro hat Luxemburg mit den Vorabentscheidungen verdient - was im Vergleich mit den eingesparten Milliardenbeträgen der Multis wahrlich Peanuts sind. Die zweite Antwort erklärte, dass Luxemburg trotz Kritik an seinem Steuermodell keine Rüge in Form eines »Downgrading« seitens der OECD zu befürchten hat. Die Schönwetter-Politik des Großherzogtums geht offenbar munter weiter - Whistleblower hin oder her.

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