Es kracht in Magdeburg
Agrarverbände werfen Ministerin im Streit ums neue Landeskonzept Scheinbeteiligung vor
Magdeburg. Das Leitbild Landwirtschaft ist ein wichtiges Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag der schwarz-rot-grünen Landesregierung in Sachsen-Anhalt. Es soll beschreiben, wie die Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt im Jahr 2030 aussehen soll. In mehreren Workshops war mit den Agrarverbänden im vergangenen Jahr über das Leitbild diskutiert worden. Auch Wissenschaftler wurden beteiligt. Und eigentlich sollte das fertige Papier Mitte Februar vorgestellt werden.
Doch nun verkündeten mehrere Agrarverbände, dass sie bei der Leitbild-Diskussion nicht länger mitmachen wollen. In einem Brief an Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Grüne) erklärten 13 Verbände am Dienstag, sie lehnten den Entwurf des Ministeriums »in Gänze ab.« Das Papier enthalte zahlreiche strittige Punkte, sagte der Präsident des Bauernverbands, Olaf Feuerborn. Es handele sich um ein Arbeitsprogramm der grünen Ministerin, das für die Landwirte im Land nicht tragbar sei. »Von Träumereien können wir nicht leben.« Der Bauernpräsident kritisierte, für viele Probleme werde einseitig die Landwirtschaft verantwortlich gemacht. Als Beispiele nannte Feuerborn Haltebedingungen bei Nutztieren und das Artensterben. »Dafür kann man nicht die Landwirte in Generalhaftung nehmen.« Schon heute hätten die Verbraucher die Möglichkeit, für mehr Tierwohl in den Ställen zu sorgen, indem sie mehr Geld für Fleisch ausgeben. »Das tun sie aber nicht.« Auch beim Artensterben gebe es zahlreiche weitere Faktoren, für die die Landwirtschaft nichts könne.
Dalbert sagte, der Brief der Verbände habe sie überrascht. Sie warf dem Bauernverband vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Es habe keine Andeutungen vom Bauernverband gegeben, den Leitbildprozess nicht bis zum Ende mitzutragen. Auch eine inhaltliche Stellungnahme von den Verbänden zu dem Entwurf liege bislang nicht vor.
Über die Ziele sei hart diskutiert worden, sie seien letztlich aber einvernehmlich aufgeschrieben worden, sagte Dalbert. »Über die Wege zu den Zielen, also die konkreten Maßnahmen, bestand nicht immer Einigkeit - das liegt in der Natur der Sache.« Die besten Wege zu finden sei Aufgabe der Landespolitik für die nächsten Jahre. Am Mittwoch erklärte Dalbert, es werde an dem Plan, das fertige Papier Mitte Februar vorzustellen, festgehalten. Und sie sei weiterhin gesprächsbereit.
Feuerborn kritisierte Dalberts Vorgehen als Scheinbeteiligung. Es sei vereinbart worden, dass nur die Punkte ins Leitbild aufgenommen würden, bei denen Konsens unter allen Beteiligten bestehe. Stattdessen seien nun auch zahlreiche strittige Punkte in dem Entwurf enthalten. CDU-Agrarpolitiker Guido Heuer warf Dalbert vor, den angekündigten ergebnisoffenen Dialog zu verweigern.
Staatskanzleichef Rainer Robra appellierte an die Verbände, sich weiter einzubringen. »Ich denke mal, die Verbände müssten eigentlich Manns und gegebenenfalls auch Fraus genug sein, sich mit ihren Anliegen zu artikulieren statt sich in die Schmollecke zurückzuziehen«, sagte der CDU-Politiker.
Feuerborn sagte, Ansprüche an eine Fortentwicklung der Landwirtschaft seien legitim. Bei allen Bemühungen um mehr Tierwohl und Artenschutz müssten die Landwirte aber zunächst ihr wirtschaftliches Überleben sichern. »Da sollten Perspektiven eines Leitbildes auch immer ökonomisch dargestellt werden.«
Im vorliegenden Entwurf sei das nicht der Fall. »Das können wir so nicht unterschreiben und ziehen deshalb die Reißleine«, sagte Feuerborn. Er kündigte einen eigenen Entwurf der Verbände an. Mit diesem Vorschlag könne man dann vielleicht wieder ins Gespräch kommen.
Es ist nicht der erste Streit zwischen der grünen Agrarministerin und den Verbänden. Bereits während der Koalitionsverhandlungen des Kenia-Bündnisses aus CDU, SPD und Grünen demonstrierten Land- und Forstwirte gegen die Besetzung des Ministeriums mit einer Grünen. Anfang des vergangenen Jahres wandten sich zahlreiche Verbände in einem offenen Brief an Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und beklagten falsche Prioritäten und fehlende Wertschätzung seitens der Ministerin. dpa/nd
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