»Man muss Raubbau an der Natur nicht auch noch fördern«

EU-Parlamentarier wollen Palmöl aus Biokraftstoffen verbannt sehen - Mehrheit dafür zeichnet sich ab

  • Lesedauer: 4 Min.

Straßburg. Wenn man EU-Bürger fragen würde, welches das umweltschädlichste Importprodukt überhaupt ist, würden sicher viele antworten: Palmöl. Der pflanzliche Rohstoff steckt in Kosmetik, in Schokolade und - trotz seines Rufs als Klimakiller - auch in Biokraftstoffen.

Viele Verbraucher haben mitbekommen, dass für die Plantagen in den Herstellerländern Regenwälder abgeholzt werden und damit Lebensräume von Tieren schrumpfen. Dass von dem umstrittenen Öl auch Millionen Arbeitsplätze in Ländern wie Malaysia oder Indonesien abhängen, spielt in der öffentlichen Wahrnehmung aber kaum eine Rolle.

Pläne im EU-Parlament könnten der Branche nun auf lange Sicht einen Dämpfer verpassen. Am Mittwoch wollen die Europaabgeordneten unter anderem über ihre Position zur neuen Erneuerbare-Energien-Richtlinie abstimmen, die bis 2030 gelten soll. Viele Parlamentarier wollen Palmöl aus Biokraftstoffen verbannt sehen - eine Mehrheit zeichnete sich schon vor der Abstimmung ab. Mit dem Votum ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen: Bevor der Palmöl-Bann Gesetz würde, muss sich das Parlament mit den Mitgliedsstaaten einigen.

Das wäre eine deutliche Kurskorrektur. Bislang wird ein Drittel des in der Union verbrauchten konventionellen Biodiesels aus importiertem Palmöl gewonnen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Nicht-Regierungsorganisation »Transport & Environment«. Auto- und Lkw-Fahrer sind demnach die größten Palmöl-Verbraucher in der EU. Kraftstoff auf Palmöl-Basis sorge dabei für dreimal so hohe Treibhausgas-Emissionen wie fossile Brennstoffe.

In Südostasien wird die Debatte mit großem Interesse verfolgt. Die beiden größten Palmöl-Hersteller der Welt sind Indonesien und Malaysia. Von den jährlich mehr als 60 Millionen Tonnen Pflanzenöl werden dort mehr als 80 Prozent produziert. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor also - wobei nach Ansicht von Kritikern internationale Konzerne den Markt bestimmen, während die örtliche Bevölkerung kaum profitiere.

In Indonesien bedecken Palmöl-Plantagen 15 Millionen Hektar des Staatsgebiets. Die Ölpalmen wachsen auf riesigen Plantagen, streng geometrisch. Es sind Gewächse der Superlative: bis zu 30 Meter hoch, mit sieben Meter langen Blättern und Tausenden Früchten. Vor allem aber: Sie benötigen viel weniger Platz als andere. Auf einem Hektar Anbaufläche lassen sich 3,3 Tonnen Palmöl gewinnen. Bei Raps, Kokospalme und Sonnenblumen sind es nur 0,7.

Auf Borneo, das sich Indonesien und Malaysia (mit Brunei) teilen, und auf der Nachbarinsel Sumatra wurden im vergangenen Jahrzehnt über sechs Millionen Hektar Regenwald abgeholzt - eine Fläche, so groß wie Bayern. Zu den Leidtragenden gehören neben dem Klima auch Elefanten und Orang-Utans, die aus ihrem Lebensraum vertrieben werden.

In den Ländern hängen viele Arbeitsplätze an der Herstellung von Palmöl, gerade für einfache Leute. Allein in Indonesien sind es mehr als drei Millionen. Präsident Joko Widodo und Malaysias Premierminister Najib Razak warnten in einer gemeinsamen Erklärung kürzlich davor, dass bei einer Umsetzung der »unfairen Praktiken« der EU Millionen Menschen in ihrem Leben beeinträchtigt würden.

In Malaysia wurden für eine Petition an die EU soeben die Unterschriften von mehr als 600 000 Kleinbauern gesammelt. In manchen Zeitungen ist schon von einem »Palmöl-Krieg« mit den Europäern die Rede. Plantagen-Minister Datuk Seri Mah drohte bereits mit Gegenmaßnahmen. »Wenn diese Hasskampagnen gegen Palmöl weitergehen, können wir auch zurückschlagen«, sagte Mah. »Malaysia, Indonesien und Thailand sind alles große Käufer von Produkten der EU.«

EU-Parlamentarier sind trotzdem überzeugt davon, dass Palmöl in Tanks nichts verloren hat. Biodiesel auf Basis dieses Pflanzenöls könne schlicht nicht als nachhaltig bezeichnet werden, heißt es bei den europäischen Grünen. Es schade der Umwelt und helfe nicht dabei, die Ziele des Klimaabkommens von Paris zu erreichen.

Und der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese sagt: »Die ganze Biokraftstoff-Debatte ist vergiftet durch das Thema Palmöl.« Auch deshalb befürworte seine Fraktion ein Verbot in Biodiesel. »Man muss Raubbau an der Natur nicht auch noch fördern«, meint er.

Nach einer Studie des Singapore Institute of International Affairs gehen von Indonesiens Palmöl-Exporten 17 Prozent in die EU. Malaysia liefert 13 Prozent seiner Ausfuhren nach Europa. Im Vergleich zu bevölkerungsreichen Ländern wie China, Indien oder Indonesien selbst - wo Palmöl hauptsächlich zum Kochen und Backen verwendet wird - ist der Verbrauch in der EU also eher gering. Und in Schokolade und Kosmetik darf das Öl auch in Europa vorerst weiter verwendet werden. Den Todesstoß kann die Europäische Union der Palmöl-Industrie also nicht versetzen - egal zu welchem Ergebnis die Debatte führt. dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.