»Da kann ja keiner was für«

Verständnis für Stopp des Zugverkehrs bei Fahrgästen

  • Christoph Driessen und Helge Toben, Köln
  • Lesedauer: 2 Min.

»Due to storm«, also »aufgrund von Sturm« sei der Zugverkehr in ganz Nordrhein-Westfalen eingestellt, tönt es auf Englisch aus den Lautsprechern des Kölner Hauptbahnhofs. Gestrandete Reisende telefonieren mit ihren Handys, sie schlendern an den Läden vorbei oder streben ins nächste Café. Das Orkantief »Friederike« hat am Donnerstag den Verkehr in Deutschland mächtig durcheinandergewirbelt.

Barbara Kohlmann aus Bünde in Westfalen zieht einen Koffer hinter sich her. Sie muss nach Stuttgart. »Ich kann’s verstehen«, sagt sie. »Sonst sind die Verspätungen ja ärgerlich, aber in diesem Fall geht die Sicherheit vor.« Das Problem sei nur: »Wie lange dauert’s noch? Dazu sagen die nichts. Muss man sich ein Hotelzimmer nehmen? Ich hoffe mal nicht. Ich glaube, heute Abend geht es weiter.« Die ältere Dame ist entschlossen zu warten: »Bis ich müde werde.«

Das gleiche Bild am Hauptbahnhof in Essen. Reisende sitzen geduldig auf den Treppen, stehen an Wänden und schauen auf ihre Handys. Die Stimmung ist gedämpft. Alle paar Minuten ertönt eine Durchsage, dass nichts mehr geht und es auf den Bahnsteigen sehr gefährlich ist.

Ein 51-Jähriger hat Verständnis für die Zwangspause: »Da kann ja keiner was für. Es ist höhere Gewalt. Es ist besser, hier im Bahnhof zu stehen als auf freier Strecke.« Nicht einverstanden ist dagegen ein 48-Jähriger aus Oberhausen: »Soll man wegen ein bisschen stärkerem Wind nicht mehr arbeiten? Sicherheit geht vor, aber trotzdem - dass gar nichts mehr geht?«

Ein Lokführer kann die Maßnahme der Bahn nachvollziehen. Nur langsamer zu fahren - das bringe bei dem langen Bremsweg der Züge nicht viel, wenn etwa ein Baum auf die Schienen gefallen sei.

In einer Unterführung schiebt eine Postbotin ihren noch gut gefüllten Handwagen vor sich her. Sie erzählt, dass sie kurz zuvor von einer Böe regelrecht angehoben und in ein Gebüsch geschleudert worden sei. Sie habe danach noch einige Firmenkunden angesteuert, dann aber beschlossen, sich lieber in Sicherheit zu bringen. Verletzt? Wohl nicht, aber die linke Hand schmerze ein wenig.

Auch die Essener Innenstadt hat der Sturm knapp zwei Stunden lang fest im Griff: Nur wenige Fußgänger sind zu sehen, deutlich weniger Autos sind unterwegs. Ständig ertönen Martinshörner. Vor einem Hochhaus liegt ein drei Meter hoher Firmenwegweiser - umgeknickt. In einem Kaufhauseingang ein Haufen Splitter, die mal eine Glastür waren - Arbeiter bringen eine Holzplatte, um den offenen Zugang zu versperren. dpa/nd

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