- Politik
- Rechte Gewalt
Neonazis gehen in Wurzen auf Linke und Journalisten los
250 Menschen protestierten gegen rassistische Gewalt in der sächsischen Kleinstadt
250 Antifaschisten folgten am Sonnabend der bundesweiten Antifa-Kampagne »Irgendwo in Deutschland« nach Wurzen, um gegen rassistische Gewalttaten zu protestieren. Die Kampagne verzeichnet in der sächsischen Stadt »ungestörte Nazistrukturen« und eine »schweigende bis unterstützende Stadtbevölkerung«.
Anlass der Kundgebung waren Ausschreitungen am 12. Januar 2018 in Wurzen, bei denen rechte Jugendliche Geflüchtete jagten. Nach aktuellem Stand der Ermittlungen wehrten sich die Geflüchteten gegen die doppelt so große Gruppe Deutscher auch mit Messern, zwei Deutsche wurden dabei verletzt. Im Anschluss stürmten die rechten Jugendlichen mehrere Wohnungen von Geflüchteten und schlugen auf die Bewohner ein. Am nächsten Tag wurden die Geflüchteten evakuiert. Am Montag erklärte die LINKEN-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel, mit einer Kleinen Anfrage mehr über die Ereignisse herausfinden zu wollen.
Neonazis jagen Journalisten
Noch vor Beginn der linken Demonstration patrouillierten bereits ab Sonnabendmittag die ersten Neonazis durch Wurzen. Zwar wurde die fünfzehn Personen starke Gruppe frühzeitig von Polizisten angehalten, doch kontrolliert wurde sie dabei offenbar nicht. Nur kurze Zeit später tauchten die 16- bis 25-Jährigen mit Sturmhauben und Tüchern vermummt bei der linken Kundgebung im Stadtpark auf. Nur wenige Polizisten stellten sich dabei den Rechtsextremen in den Weg. Erst nach einer halben Stunde begleiteten die Beamten die Vermummten bis zu einem Supermarkt am Ende des Parks. Wenig später meldeten die Rechtsextremen eine eigene Kundgebung an.
Zu einem schweren Zwischenfall kam es, als mehrere vermummte Neonazis aus einer Werkstatt stürmten, als Journalisten daran vorbeiliefen. Das Gelände ist als rechte Szene-Immobilie bekannt. Fünfzig Meter jagten die Neonazis hinter den Reportern her. Als Gegendemonstranten und Polizisten auf die Straße einbogen, zogen sich die Angreifer vorerst zurück.
Eine Stunde später standen die Neonazis wieder auf der Bahnhofsstraße, diesmal jedoch schwer bewaffnet. Mit einem Arsenal aus Baseballschlägern, Teleskopschlagstöcken, Pfefferspray und Macheten gingen sie drohend auf Journalisten und Demonstrierende zu. Dem Fotojournalisten Sören Kohlhuber zeigte einer der Neonazis eine Halsabschneide-Geste mit der Machete und brüllte ihm zu: »Wir kriegen dich!« Journalisten und Demonstrierende wurden von den Rechtsextremen fotografiert. Seit Sonntagabend kursieren die Bilder auf einschlägigen Neonaziseiten im Internet.
Polizei findet keine Waffen
Von dem Angriff selbst erfuhr die Polizei nach eigenem Bekunden erst über die sozialen Netzwerke. Als Beamte eintrafen, versteckten die Neonazis ihre Waffen. Am Rande drängte ein Polizist mehrere Journalisten gewaltsam zur Seite. Erst als Filmteams dazu kamen, ließ er von den Reportern ab. Zehn Beamte sprachen mit den Neonazis und betraten kurz darauf deren Werkstatt. Waffen konnten sie dabei jedoch keine finden. Die Staatsanwaltschaft habe auch keinen Durchsuchungsbeschluss ausgestellt, sagte ein Beamter vor Ort – trotz umfangreichen Waffenarsenals der Neonazis und dutzender Beweisfotos.
Seit den 1990er Jahren ist die Region um Wurzen regelmäßig Tatort rechter Gewalt. Bei einem organisierten Angriff auf das Leipziger Stadtviertel Connewitz im Januar 2016 sollen Neonazis aus der sächsischen Kleinstadt federführend gewesen sein.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.