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Die einen: Ja. Die anderen: Njet
153 deutsche Sportler für Olympia nominiert, russische Stars fehlen auf der IOC-Liste
Es waren zwei unterschiedliche Gefühlswelten, die sich am Dienstag zeigten. In Frankfurt am Main gaben die Verantwortlichen des Deutsche Olympischen Sportbunds (DOSB) »optimistisch« bekannt, dass sie 153 Sportlerinnen und Sportler zu den Olympischen Winterspielen nach Pyeongchang schicken werden. Die anwesenden Journalisten wollten eigentlich nur noch wissen, welcher Star die Fahne bei der Eröffnungsfeier tragen dürfe. Ein paar Stunden zuvor hatte das Russische Olympische Komitee (ROK) in Moskau dagegen angeprangert, dass seine großen Stars bislang gart nicht nach Südkorea reisen dürfen. Da sie vom IOC noch nicht eingeladen worden sind, könnten zum Beispiel Biathlet Anton Schipulin und Shorttracker Wiktor Ahn ihre Titel nicht verteidigen.
Nach dem Dopingskandal bei den Winterspielen 2014 in Sotschi hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) das ROK suspendiert. Nur nachweislich saubere russische Athleten dürften unter neutraler Flagge in Pyeongchang starten. Wie entschieden wird, wer sauber ist, wurde jedoch nie erläutert. Das IOC habe seiner Expertengruppe um die Vorsitzende Valérie Fourneyron bewusst keine Kriterien vorgegeben. Sie hatte vor einigen Tagen die Liste möglicher Starter von 500 auf 389 reduziert.
Die offenbar fehlenden Athleten - darunter auch die Eiskunstlauf-Olympiazweite Xenia Stolbowa und Langlaufass Sergej Ustjugow - seien »niemals in einen Dopingskandal verwickelt« gewesen, kritisierte ROK-Vizepräsident Stanislaw Posdnijakow. Sie hätten »durch zahlreiche Tests bewiesen, dass sie saubere Sportler« seien. Allerdings zeigte das IOC schon mit den Urteilen seiner Oswald-Kommission, die 46 Sotschi-Starter lebenslang sperrte, dass es diese Argumentation nicht gelten lässt. Zu viele Proben seien manipuliert worden.
Fourneyron und Kollegen hatten weitere Tests eingefordert und einen frisch entschlüsselten Datensatz des Moskauer Labors untersucht. Noch schweigt das IOC, ob Schipulin, Ahn und Co. dabei auffällig wurden. Posdnijakow will jetzt nachfragen, warum sie nicht auf der Liste stehen. Er denkt, dass diese noch nicht endgültig ist. Auch der Biathlonweltverband meint, dass über Schipulin erst an diesem Mittwoch entschieden wird. Dies widerspricht jedoch der Darstellung des IOC. Demnach werden zwar erst am 27. Januar alle nominierten Russen bekanntgegeben, doch sie könnten nur aus dem Kreis der 389 kommen. Mit dem ROK werde nur noch abgestimmt, welche Athleten die Qualifikationsnormen erfüllt haben.
Die russischen Biathleten laufen derzeit der Konkurrenz hinterher. Nur Schipulin war zuletzt in Antholz aufs Podium gelaufen. »Wir gehen davon aus, dass alles in Ordnung ist«, hatte sein deutscher Trainer Ricco Groß immer gesagt, dabei aber auch die ständige Unsicherheit kritisiert: »Der Umgang des IOC mit den Sportlern ist belastend und ein Stück weit unfair.« Nun droht doch der Katastrophenfall.
Für Ahn kommt es noch dicker. Als Ahn Hyun-Soo hatte er 2006 für Südkorea in Turin drei Mal Gold und einmal Bronze gewonnen. Nach einem Streit mit dem Verband wechselte er nach Russland und wiederholte die Ausbeute in Sotschi. Sein Traum vom Start im Geburtsland scheint nun zu platzen. »Sein Olympiaausschluss ist die Spitze der Ungerechtigkeit, die den russischen Sportlern in den vergangenen Monaten widerfahren ist«, sagte der Präsident des russischen Eisschnelllaufverbandes, Alexej Krawzow. Ohne Ahn sind die Russen wohl chancenlos. Und auch der Langlaufverband würde mit Ustjugow, Tour-de-Ski-Sieger von 2017, seinen größten Medaillenanwärter verlieren.
Von fehlenden Russen könnten auch deutsche Starter profitieren. Speziell Schipulin hatte in Sotschi im Schlussspurt einen deutschen Staffelsieg verhindert und jüngst in Antholz Arnd Peiffer vom Podium verdrängt. Stolbowa ist eine Kontrahentin der Paarläufer Aljona Sawtschenko und Bruno Massot. Auf der Grundlage der Weltmeisterschaften 2017 hatte eine amerikanische Studie jüngst ergeben, dass Deutschland bei einem Komplettausschluss der russischen Mannschaft fünf Medaillen mehr gewinnen könnte. Allerdings sind solche Hochrechnungen mit Vorsicht zu genießen, was daran deutlich wird, wenn man die Resultate deutscher Kombinierer und Biathleten aus dem vergangenen Jahr mit den aktuellen vergleicht.
So bleibt DOSB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig recht vorsichtig beim Thema Zielvorgabe. Es sollen erst mal nur mehr werden als die 19 Medaillen von Sotschi. Die amerikanischen Forscher hatten 35 bis 40 vorausgesagt. »Unsere Athletinnen und Athleten haben teils überragende Ergebnisse erzielt, aber wir hatten auch schon viel Verletzungspech«, sagte Schimmelpfennig. Das deutsche Team wird 90 Männer und 63 Frauen umfassen. Der Männer-Überhang ist Resultat der verpassten Qualifikation der Eishockeyspielerinnen. Dafür werden so gut wie alle Wackelkandidaten mitgenommen, darunter Sebastian Eisenlauer und Victoria Carl (Langlauf) sowie Fritz Dopfer und Linus Straßer (Ski alpin), die die internen Normen nicht komplett erfüllt hatten.
Wer nun Fahnenträger wird, steht übrigens noch nicht fest. Der DOSB stellt am 27. Januar fünf Kandidaten zur Wahl. Athleten und die deutsche Öffentlichkeit dürfen je zur Hälfte abstimmen. Am Tag vor der Eröffnungsfeier wird das Ergebnis verkündet.
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