Teilerfolg gegen Facebook

Urteil des Europäischen Gerichtshof: Datenschutzaktivist aus Österreich kann gegen Facebook klagen, aber nicht per Sammelklage

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

»Die gute Nachricht ist, dass wir jetzt endlich vor Gericht gegen Facebook vorgehen können«, freute sich Maximilian Schrems am Donnerstag. Die schlechte Nachricht sei, dass es in der EU »immer noch« praktisch wirksame Möglichkeit zur Sammelklage gebe, so die erste Reaktion des österreichischen Datenschützers, der seit Jahren für digitale Verbraucherrechte kämpft. Nur zwei Seiten lang ist das Urteil, das Schrems am Donnerstagmorgen am Europäischen Gerichtshof (EuGH)erstritten hat.

Sieben Jahre habe er es in Irland versucht, drei Jahre lang habe sich Facebook in Österreich gesträubt, den Fall vor Gericht zu verhandeln, erzählt Schrems. Der Datenschutzaktivist will die umfangreiche Datensammlung reduzieren, die Facebook über seine Nutzer anlegt. Niemand, der ein Facebook-Konto eröffne, verstehe die komplexen Vertragsbedingungen, argumentiert Schrems. Das Gleiche gelte für die Privatsphäre-Politik des Unternehmens, das seine Nutzer überfordere und entmündige.

Insgesamt 25 000 Nutzer aus mehreren Ländern hatten Schrems ihre Ansprüche gegenüber Facebook übertragen, damit dieser für sie in einer Sammelklage gegen das soziale Netzwerk vorgehen konnte. Das Unternehmen hatte zuvor vor österreichischen Gerichten und nun beim EuGH argumentiert, Schrems sei kein »Verbraucher«, weil er als Aktivist Facebook auch beruflich nutze, Bücher publiziere, Vorträge halte und Ansprüche anderer geltend machen wolle.

Das wies der EuGH nun zurück: Schrems habe durch diese Aktivitäten seine Eigenschaft als Verbraucher nicht verloren. Eine Klage auch im Namen anderer Nutzer – ob im eigenen Land oder im Ausland – sei hingegen nicht möglich, entschieden die Luxemburger Richter. Der Verbrauchergerichtsstand diene nur einzelnen Verbrauchern in Bezug auf von ihnen selbst abgeschlossene Verträge.

Dieser Teil der Entscheidung sei »hochproblematisch«, sagte Schrems. »Wenn sie zum Beispiel einen gebrauchen VW kaufen, hätten sie nach diesem Urteil keine Verbraucherrechte mehr, weil sie nicht direkt einen Vertrag mit Volkswagen geschlossen haben«, so Schrems in einem Video-Statement kurz nach dem Prozess. Dass Sammelklagen so unmöglich würden, sei eine »Schande, nicht nur in unserem Fall«, empört er sich. Er meint, dies könne auch die rund 30 000 Opfer fehlerhafter Brustimplantate einer französischen Firma oder klagewillige »Dieselgate«-Opfer betreffen. In seinem Fall werde er nun einfach die eigene Klage als Musterklage weiterverfolgen, damit sich anschließend andere auf von ihm erstrittene Urteile berufen können. Man freue sich darauf, die Angelegenheit beizulegen, erklärte eine Sprecherin von Facebook nur.

Anlässlich des Urteils hat die SPD-Fraktion im Europaparlament die EU-Kommission aufgefordert Sammelklagen auf EU-Ebene möglich zu machen. »Dass Max Schrems nach diesem Urteil vor heimischen Gerichten klagen kann, ist ein Gewinn für den Datenschutz. Aber nach wie vor besteht gerade im Fall von marktdominierenden Konzernen wie Facebook das Problem, dass der einzelne Nutzer dem Ausverkauf seiner Daten nur wenig entgegensetzen kann«, erklärte die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Birgit Sippel.

Schon in der Vergangenheit hat Schrems erfolgreich für die Rechte von Internetnutzern gestritten. 2015 kippte das EuGH nach einer Klage von ihm das Safe-Harbor-Abkommen zur Übertragung von Nutzerdaten durch Unternehmen zwischen der EU und den USA.

Der Datenschutzaktivist, den das US-Computermagazin »Techcrunch« den »am wenigsten beliebten Österreicher in der Konzernzentrale von Facebook« nennt, will aber nicht nur im aktuellen Fall gegen das soziale Netzwerk vorgehen. »Facebook wird in Zukunft viele Fragen vor den Gerichten beantworten müssen«, freut sich Schrems. Etwa warum die US-Regierung und die NSA Zugang zu den Facebook-Daten über das Nutzerverhalten haben.

Um das tun zu können, hat Schrems von Unterstützern fast eine Viertelmillion Euro gesammelt. Für viele Nutzer seien Klagen »viel zu teuer« und kompliziert. Mit dem »European Center for Digital Rights« will Schrems deswegen künftig »strategisch« Klagen für einzelne Nutzer anstrengen, um so die digitalen Rechte und Freiheiten im Netz für alle zu »maximieren«. Aktuell sucht die Initiative übrigens noch nach Mitarbeitern.
mit Agenturen

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