- Wirtschaft und Umwelt
- Dieselskandal in der EU
Verstoß als Normalzustand
Beim Treffen mit dem EU-Umweltkommissar sollen neun Mitgliedstaaten erläutern, was sie für bessere Luft tun
Ginge es nach dem Verkehrsexperten des Naturschutzbundes (NABU), Dietmar Oeliger, wäre die Sache klar: »Die EU-Kommission muss das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland beibehalten und so den Druck auf die Bundesregierung aufrecht erhalten.« Diese Forderung wird in einem offenen Brief erhoben und begründet, den die Umweltverbände NABU, BUND, Umwelthilfe und VCD jetzt an den zuständigen EU-Kommissar Karmenu Vella schrieben.
Anlass ist der Stickoxidgipfel, zu dem der maltesische Umweltkommissar für diesen Dienstag Regierungsvertreter aus neun Mitgliedstaaten nach Brüssel zitiert hat. Dieses durchaus ungewöhnliche Vorgehen hat seinen guten Grund: In 23 von 28 Staaten, europaweit in mehr als 130 Städten, wird dauerhaft gegen die EU-Normen für Luftqualität verstoßen. Deutschland ist mit Grenzwertverstößen in 28 Luftqualitätsgebieten Spitzenreiter. In Europa gebe es deswegen jedes Jahr mehr als 400 000 vorzeitige Todesfälle, heißt es aus Brüssel. In Städten sind Dieselfahrzeuge für einen Großteil der Stickoxidemissionen verantwortlich.
Im Februar 2017 hatte die Kommission eine letzte Warnung an Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien ausgesprochen. In nächster Instanz drohen Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) - im Falle einer Verurteilung drohen Strafzahlungen. Mit der Einberufung der Umweltminister zu dem Stickoxidgipfel signalisiert Brüssel ein weiteres Mal Gesprächsbereitschaft. Vella betonte, »dass dieser Schritt am Ende einer langen - manche würden sagen: zu langen - Phase steht«.
Die Bundesregierung hofft indes, um eine EuGH-Klage herumzukommen. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) hatten Anfang Januar in ungewöhnlicher Einmütigkeit in einem Brief an die EU-Kommission auf Maßnahmen Deutschlands im Kampf gegen die Luftverschmutzung verwiesen. Bund und Kommunen hätten Ende November ein »Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020« beschlossen. In vier Expertengruppen würden konkrete Maßnahmen erarbeitet.
Allerdings gibt es in zwei dieser Gruppen Differenzen darüber, ob die bisherigen Vorschläge ausreichend seien. Und selbst ein Regierungsgutachter hält die von Regierung und Autoherstellern vorgeschlagenen Software-Updates bei Dieselfahrzeugen für zu wenig - es brauche Hardware-Nachrüstungen bei älteren Modellen.
Die Umweltverbände weisen in ihrem Brief darauf hin, dass aufgeführte Maßnahmen wie die Elektrifizierung des Stadtverkehrs oder Geld für neue »Verkehrsmasterpläne« der Kommunen im besten Falle langfristig die Stickstoffdioxidwerte senken. »Ohne weitere, kurzfristig wirkende Maßnahmen werden die Belastungen für Menschen und Umwelt noch über Jahre hinweg zementiert.«
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