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- Kontra Bündnis 90/Die Grünen
Rot-rot-grüne Traumtänzer
Die Grünen eine linke Partei? Von wegen! Die Ökopartei ist mittlerweile fest in der bürgerlichen Mitte verankert
Es ist befremdlich, dass einige Linke immer noch die Auffassung vertreten, Bündnis 90/Die Grünen wäre eine linke Partei. Selbst nach der Wahl der neuen Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck, beides einschlägige Vertreter des Realo-Flügels, gibt es sie noch. Entweder haben sie die jüngste Entwicklung der Partei nicht mitgekriegt. Oder - was wahrscheinlicher ist - sind sie so in ihrem rot-rot-grünen Wunschdenken gefangen, dass sie sich die Wahrheit nicht eingestehen wollen. Dabei sollte jedem klar sein: Die Grünen sind mittlerweile in der Mitte des bürgerlichen Parteienspektrums angekommen. Stück für Stück haben sie sich linker Positionen entledigt. Das kann man gut an drei Feldern aufzeigen: Wirtschafts-, Asyl- und Außenpolitik.
Der Parteilinke Jürgen Trittin war bei der Bundestagswahl 2013 neben Katrin Göring-Eckardt Spitzenkandidat der Grünen. Unter anderem er hat dafür gesorgt, dass seine Partei mit einer Forderung nach einer zeitlich befristeten Vermögensabgabe und einem Anheben des Spitzensteuersatzes in den Wahlkampf zog. So sollte der Spitzensatz für Einkommen ab 80 000 Euro auf 49 Prozent erhöht und Menschen mit weniger als 60 000 Euro Jahreseinkommen entlastet werden. Dass die Partei nach dem Urnengang - trotz deutlich besserer Umfragen im Vorfeld - auf 8,4 Prozent abstürzte, wurde vor allem Trittin angelastet. In der Folgezeit wurde nicht nur er in keinem grünen Spitzengremien mehr berücksichtigt, sondern auch eindeutige Forderungen nach Steuererhöhungen für Vermögende nach und nach ad acta gelegt. Heute dominiert ein wirtschaftsliberaler Kurs die Partei - geprägt vor allem vom Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann.
Jung, dynamisch, Aufbruch? Erstmals in der Geschichte der Grünen wurden mit Annalena Baerbock und Robert Habeck zwei Politiker an die Parteispitze gewählt, die dem Etikett nach zum Realoflügel gehören. Beide zeigen sich offen für Koalitionen auch mit Union und FDP. Bleibt die Frage: Sind die Grünen noch Teil der gesellschaftlichen Linken?
Robert D. Meyer hofft, dass Grüne und Linkspartei noch viel voneinander lernen werden.
Als 2015 die Liste der »sicheren Herkunftsstaaten« um drei Länder erweitert wurde, waren es Landesregierungen mit grüner Regierungsbeteiligung, die im Bundesrat für die erforderliche Abstimmungsmehrheit sorgten. Ein Jahr zuvor ist Kretschmann dieses Husarenstück schon einmal gelungen. Seitdem sind Abschiebungen in Richtung Südosteuropa im Handumdrehen möglich.
Weiß eigentlich noch irgendwer, welchen souveränen Staat die Bundeswehr als erstes angegriffen hat? Weil die Truppe inzwischen weltweit auf Menschen schießt, kann man da schon einmal durcheinander kommen. Der erste Angriff fand 1999 im Rahmen einer NATO-Mission gegen das damalige Jugoslawien statt. Damals gab es auf dem Balkan fürchterliche Massaker, für die die Bundesregierung allein die Regierung von Slobodan Milošević verantwortlich machte. Der serbische Präsident wurde auch bei Grünen-Politikern zur Hassfigur. Um das Schlachten auf dem Balken zu beenden, so der Tenor, müsse die Bundeswehr eingreifen. Möglich machten es die Grünen, die damals noch zusammen mit der SPD im Bund regierten (und mit ihnen die Hartz-IV-Gesetze ins Leben riefen). Später trugen sie den Kriegseinsatz in Afghanistan mit und plädierten für die EU-geführte Mission am Horn von Afrika.
Doch damit nicht genug. Ähnlich wie Milošević Jahre zuvor hat sich die Ökopartei seit der Krim-Krise 2014 den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Feindbild ausgeguckt. Die Grünen schlugen sich schnell auf die Seite der pro-westlichen Regierung in Kiew, wohl wissend, dass die Ukraine sowohl eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union als auch in der NATO anstrebt. Dass pro-faschistische Kräfte auf den Regierungsbänken in der Werchowna Rada Platz genommen hatten, dürfte ihnen auch nicht entgangenen sein.
In den kürzlich gescheiterten Sondierungsgesprächen über eine Jamaika-Koalition im Bund war all das ein Empfehlungsschreiben. Überhaupt haben sich die Grünen von Anfang an für eine schwarz-gelb-grüne Bundesregierung stark gemacht. Selbst Parteilinke wie Simone Peter (bis vor kurzem Co-Vorsitzende) und Fraktionschef Anton Hofreiter hätten das Bündnis mitgetragen - trotz Zugeständnissen bei Digitalisierung, Bildung, und beim Solidaritätszuschlag. Apropos Hofreiter: Der gebürtige Münchener schließt mittlerweile nicht mal mehr eine Landesregierung aus CSU und Grünen in Bayern aus. Auweia.
Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, wann Bündnis 90/Die Grünen im Bund mit den Konservativen regiert. In Hessen und Baden-Württemberg klappt das bekanntlich schon ganz prima. Doch vielleicht macht der Wähler den schwarz-grünen Architekten weiter einen Strich durch die Rechnung. Eine rot-rot-grüne Koalition im Bund ist jedenfalls nicht in Sicht. Und das liegt nicht nur an einer SPD, die längst nicht mehr sozialdemokratisch ist, sondern auch an den ehemaligen Parteirebellen der Grünen.
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