Ein Mann, ein Amt?

Martin Schulz wird sich kaum mit dem Parteivorsitz begnügen

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war im März 2013, als Martin Schulz, designierter Spitzenkandidat der SPD, über den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel in höchsten Tönen sprach. Dieser Mann sei in der Lage, eigene Ambitionen zurückzustellen im Dienste der Partei. Gabriel stellte sein Amt zur Verfügung, um der SPD mit Schulz vor der Bundestagswahl einen neuen Anlauf zu ermöglichen. »Ich bin stolz, dass ich diesen Mann meinen Freund nennen darf«, rief Martin Schulz auf einer Veranstaltung der SPD in Wolfenbüttel aus.

Die Begeisterung hat sich gelegt. Offenbar auf beiden Seiten. Das Verhältnis zwischen den beiden Politikern sei abgekühlt, ist zu lesen; anderswo heißt es, das Tischtuch sei zerschnitten. Zumindest ist eines wahr: Die SPD steht mit einem Bein in der nächsten Großen Koalition, obwohl Schulz nach der verlorenen Bundestagswahl am 24. September genau dies strikt ausgeschlossen hatte. Die Parteibasis rumort, die Wähler wenden sich ab; bei gerade noch 18 Prozent steht die SPD im ARD-Deutschlandtrend. Die Schulzomanie, auf deren Höhepunkt ein Parteitag den Mann aus dem nordrhein-westfälischen Würselen mit 100 Prozent zum neuen SPD-Vorsitzenden wählte, ist verflogen. Schulz persönlich sieht sich dem Vorwurf eines erratischen und wenig durchdachten strategischen Vorgehens ausgesetzt. Und an der Frage seiner eigenen Rolle in einer Großen Koalition macht sich dies aktuell erneut fest.

Bereits vor der Bekanntgabe des Ministertableaus wird Schulz in Medien der Vorwurf lauthals angekündigt, im Falle der Übernahme eines Ministeramts werde man ihn des erneuten Wortbruchs zeihen, nachdem er zuvor schon seine strikte Absage an die Große Koalition widerrufen hat. Schulz blockt bisher alle Spekulationen über ein eigenes Ministeramt in der GroKo ab; über Personalfragen werde wie immer in solchen Fällen zu allerletzt gesprochen. Zugleich wird aus den Reihen seiner Vertrauten nicht nur kolportiert, er habe durchaus die Absicht, ein Regierungsamt zu übernehmen, sondern eine solche Absicht ist auch nur allzu folgerichtig. Wo sonst sollte Schulz künftig eine führende Rolle spielen, wenn nicht als Vizekanzler, nachdem er den Fraktionsvorsitz seiner Stellvertreterin Andrea Nahles überlassen hat?

Kein Ministeramt aber scheint besser für den einstigen Europapolitiker und Präsidenten des EU-Parlaments vorstellbar als das im Außenressort. In den Koalitionsverhandlungen gehen die europapolitischen Absichtserklärungen auf sein Konto. Und auf sein gutes Verhältnis zum französischen Präsidenten Emmanuel Macron weist Schulz durchaus gern hin, wenn die Gelegenheit günstig ist.

Das Außenministerium aber liegt derzeit in der Hand von Sigmar Gabriel, dem in dieser Rolle die Gunst der Bevölkerung offenbar zufliegt. Gabriels Beliebtheitswerte übertreffen mittlerweile nicht nur die von Schulz um Meilen, sondern auch die von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Aus dem einstigen Freund ist damit der Hauptkonkurrent geworden. Denn auch wenn Gabriel ins Wirtschaftsministerium zurückkehren könnte, das er bis zum Wechsel ins Außenministerium leitete, scheint ihm der jetzige Posten durchaus zu liegen. Eine für Schulz wohl ernüchternde Erkenntnis dürfte sein, dass Gabriels einstiger Ruf als wankelmütiger und wenig kalkulierbarer Vorsitzender nun an ihm, Martin Schulz, selbst klebt.

Sechs Ministerien lagen bisher in der Hand der Sozialdemokraten; allzu viel Spielraum bietet sich nicht, zumal Frauen künftig eine größere Rolle spielen sollen, wie Schulz angekündigt hat. Außerdem wird spekuliert, dass die SPD das einflussreiche Finanzministerium anstrebt - dann dürfte sie das wohl das Außenamt kosten. Bis Sonntag sind die Verhandlungen geplant, an deren Ende über die Ministerien entschieden wird. Neben dieser ist jedoch auch die Frage offen, wie dann die SPD-Mitglieder votieren. Die Ministerien sollen angeblich Teil des Entscheids sein.

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