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Neonazi-Großkonzert zu Hitlers Geburtstag geplant
Sächsische Kleinstadt könnte 2018 zum neuen Themar werden / LINKE-Politiker meldet drei Gegendemonstrationen an
»Der 20. April ist nicht irgendein Tag«, sagt Michael Schlitt. »Wenn die NPD an Hitlers Geburtstag ein Festival ankündigt, hat das eine klare Symbolik.« Und die habe nichts im Oberlausitz-Städtchen Ostritz im Südosten von Sachsen zu suchen. »Wir sind keine Nazi-Stadt. Wir stehen für ein friedliches Miteinander, für Weltoffenheit und Toleranz.«
Michael Schlitt ist Leiter des Internationalen Begegnungszentrums (IBZ) im Klosterstift St. Marienthal in Ostritz. Stellvertretend für viele engagierte Bürger hat er ein Stadtfest an dem Aprilwochenende angemeldet. Mitten in der Stadt. Auf dem Marktplatz vor dem Rathaus, und nur wenige Hundert Meter entfernt vom Hotel Neißeblick, auf dessen Grundstück der Thüringer Neonazi Thorsten Heise sein »Schild & Schwert«-Festival veranstalten will. Nach Ansicht des Verfassungsschutzes könnte es das größte dieser Art in diesem Jahr in werden.
Im Büro direkt neben der Rezeption des Hotels sitzt Verwalter Hartmut Ehrentraut. Es riecht muffig. Außerhalb des mit Teppichboden ausgelegten Raumes ist es dunkel. Ein Hotelbetrieb ist nicht wirklich zu erkennen. »Früher haben wir hier von Busreisegruppen gelebt«, sagt er. Doch dann kam 2010 die Flut. Das Hotel liegt direkt an der Neiße, die jetzt ruhig dahinfließt. 12 von ehemals 42 Zimmern seien nach dem Hochwasser übrig geblieben. »Heute übernachten hier vor allem Monteure«, berichtet Ehrentraut. Zu sehen sind sie nicht.
Das Hotel war mal eine Textilfabrik, entsprechend weitläufig ist das Gelände, auf dem sich mehrere Gebäude verteilen, heute benannt nach den Gauen des Deutschen Reiches. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg wurden dort Säcke gefertigt. »Auch zu DDR-Zeiten wurden hier weiter Grobgewebe wie Teppichrücken produziert«, erzählt der Verwalter.
Seit Anfang der 1990er Jahre ist es ein Hotel. »Zu Anfang lief es gut.« Jetzt passt sich das Haus so langsam in die Szenerie aus leerstehenden und dem Verfall preisgegebenen Gewerbebauten unterschiedlichen Baualters ringsherum ein. Eine Fußgängerbrücke vor
der Tür führt über die Neiße nach Polen, wo der Bahnhof von Ostritz liegt.
»Die wollen doch nur in Ruhe feiern«
Mit der NPD sei er nicht verbandelt, betont Ehrentraut. »Wählen würde ich die nicht.« Dennoch hat kein Problem mit den Rechtsextremisten. »Die wollen doch auch nur in Ruhe feiern. Soll doch jeder seine Meinung haben.« Außerdem brächten sie Geld in die Kasse des Hotelbetreibers, was selten genug der Fall sei. Schon lange stehe das Haus zum Verkauf. »450.000 müssen Sie dafür hinlegen.«
Ehrentrauts Chef ist der Unternehmer und umstrittene hessische Kommunalpolitiker Hans-Peter Fischer. Schon mehrfach hat er die Immobilie der NPD überlassen. 2012 für einen Bundesparteitag. Noch heute sind die Spuren der Farbbeutel linker Gegendemonstranten an der Fassade zu sehen - »für mich ist das unterste Schublade«, sagt Ehrentraut. Ein »Deutsches Sportfest« im vergangenen Jahr blieb dagegen von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt.
Fischer liegt seit Jahren quer mit der Stadt, fühlt sich betrogen. Er habe nach dem Hochwasser 2010 »als einziger keine müde Mark bekommen von den Behörden«, beschwert er sich im Interview mit der »Lampertheimer Zeitung«. Und droht: »Wenn die mich weiter so ärgern, schenke ich das Haus der NPD.«
Der sächsische Verfassungsschutz zählt das Hotel schon jetzt als NPD-Immobilie. Nicht weil sie der Partei gehört, sondern weil sie jederzeit darauf zugreifen kann, wie der Präsident des Landesamtes, Gordian Meyer-Plath, erläutert. 25 solcher NPD-Immobilien gibt es im
Freistaat, der in dieser Hinsicht damit deutlich in Führung vor Bayern (17), Mecklenburg-Vorpommern (17) und Nordrhein-Westfalen (11) liegt.
Rechtsrock und Tattoos
Das Festival auf dem Gelände des Hotels in Ostritz ist als Versammlung angemeldet, streng geschützt nach Artikel 8 des Grundgesetzes. Anmelder ist der Privatmann Thorsten Heise. Doch niemand zweifelt daran, dass die NPD als Partei dahinter steht. Denn Heise ist nicht nur deren Landesvorsitzender in Thüringen, er ist auch stellvertretender NPD-Bundesvorsitzender und gut vernetzt in der freien Kameradschaftsszene.
Für Meyer-Plath ist dies der Versuch der NPD, »sich mit allen rechtsextremistischen Szenen zu verzahnen«. Geboten werden soll jede Menge Neonazi-Lifestyle. Unter dem Motto »Reconquista Europa« sind überregional bekannte Gruppen wie die Nazihool-Band Kategorie C angekündigt. Beim »Kampf der Nibelungen« soll Martial Arts präsentiert werden. »Dazu wird dann noch tätowiert«, sagt Meyer Plath, denn auch eine »Tattoo Convention« sei angekündigt. Für den Verfassungsschutzchef ist die angemeldete Teilnehmerzahl mit 750 angesichts dieses Programms »eher niedrig formuliert«.
Erinnerungen an Themar werden wach. In etwa so groß wie Ostritz mit seinen 2400 Einwohnern, wurde das thüringische Städtchen im vergangenen Jahr bei mehreren Rechtsrockkonzerten von Tausenden Neonazis schier überrannt.
So manchem Ostritzer macht das Angst. »Ich kenne Leute, vor allem Familien mit Kindern, die sagen: ‘Am liebsten würden wir an dem Wochenende abhauen’«, erzählt Stephan Kupka. Der katholische Gemeindereferent ist Mitinitiator des Festes, bei dem Ostritz an dem Aprilwochenende sein wahres Gesicht zeigen will. »Ostritz ist nicht der Ort, auf den das passt.«
Linke melden drei Gegendemonstrationen an
Doch es geht nicht nur um die Neonazis. Auch linker Protest kündigt sich an. Mehrere Gegenkundgebungen sind nach Angaben des Ordnungsamtsleiters im Görlitzer Landkreisamt, Peter Hoffmann, bereits angezeigt. »Damit haben wir jetzt einmal rechts, dreimal links und in der Mitte steht die Bevölkerung.« Und die ist durchaus skeptisch.
»Ich würde jetzt auch das linke Lager nicht als komplett gewaltfrei sehen wollen«, sorgt sich Familienvater Ronald Prechel. Zusammen mit seiner Frau Katrin und Dutzenden anderen ist der 46-Jährige zum Vereinsstammtisch ins IBZ gekommen, um eine geeignete Form für das Fest im April zu finden. Einfach gestaltet sich das nicht, auch wenn man sich insgesamt einig ist, dass man den Neonazis »nicht die Deutungshoheit über unsere Plätze« überlassen dürfe.
Prechel erinnert an die G20-Krawalle in Hamburg. »Ich habe Angst, dass Ostritz zwischen die Mühlsteine gerät. Mir ist doch egal, wer meine Fassade beschmiert oder mein Auto zerstört.« Der evangelische Gemeindepfarrer Thomas Schädlich zeigt Verständnis. »Ich möchte auch nicht, dass das hier irgendeine politische Gruppierung für sich ausnutzt.« IBZ-Chef Schlitt will ebenfalls keine Fahnen oder Flyer von Parteien auf dem Fest.
Die Görlitzer Polizei verspricht für das Wochenende Präsenz rund um die Uhr ohne »weiße Flecken«. »Im Notfall wird sich die Polizei dazwischen stellen«, beruhigt der amtierende Leiter des Führungsstabes der Polizeidirektion Görlitz, Holger Löwe, die Stammtischteilnehmer. »Ich kann auf alle Ressourcen im Freistaat zurückgreifen.« Da viele Festivalbesucher mit der Bahn aus Görlitz oder Zittau anreisen dürften und die Strecke über polnisches Staatsgebiet führe, plane er den Einsatz mit den dortigen Kollegen. »Auch die Bundespolizei ist mit im Boot.«
»Das ist kein braunes Kacknest«
Pfarrer Schädlich hat Angst vor einer Spaltung seiner Gemeinde. »Ich war bei der Auszählung der Bundestagswahl dabei. 25 Prozent hier haben AfD gewählt.« Und wenn man Parteien zu dem Fest zulasse, könne man die AfD schlecht ausschließen. Dass die AfD in ein Fest für Weltoffenheit und Toleranz schwer einzubinden wäre, bleibt bei dem Stammtisch unausgesprochen, scheint aber allen klar. »Dann würde man ein Viertel des Ortes ausschließen. Deshalb keine Parteien!«, fordert der Pfarrer, der seine Kirche während des Neonazi-Festivals durchgehend geöffnet lassen will, »aber nur zum Gebet«.
Für den Görlitzer LNIKE-Landtagsabgeordneten Mirko Schultze ist das nicht genug. Er hat zusammen mit zwei weiteren Parteifreunden die drei Gegendemos angemeldet. Das Festival habe eine Strahlkraft weit über die Grenzen des Städtchens hinaus. »Das sind alles Bands, für die nicht nur der kleine Dorfnazi von um die Ecke kommt.« Und deshalb gebe es Menschen, die sich klar dagegen positionieren wollten. »Und diesen Menschen möchte ich auf meiner Versammlung Raum geben.«
Die Proteste der Linken seien keineswegs gegen die Ostritzer gerichtet, tritt er den Befürchtungen des Pfarrers entgegen. »Wer hier anreist und meint, das ist ein braunes Kacknest mit lauter Unterstützern, der irrt und wird das auch sehr schnell feststellen«, sagt Schultze. Er wolle gemeinsam mit den anderen gegen die Neonazis protestieren, aber auch dafür sorgen, dass sie sich »hier nicht wohlfühlen«.
Beten statt Politik
Bei den Zisterzienserinnen will man von dem weltlichen Treiben im Ort nichts wissen. »Wir feiern an dem Wochenende den Tag des offenen Klosters«, sagt Schwester Elisabeth Vaterodt. Als Äbtissin ist sie für die anderen zehn noch in St. Marienthal verbliebenen Nonnen die Stellvertreterin Christi. In seiner fast 800-jährigen Geschichte hat das katholische Kloster so manches überstanden, auch die Reformation.
Dass der bundesweit gefeierte Tag des offenen Klosters mit der Neonaziveranstaltung zusammenfällt, ist freilich reiner Zufall. Mit einem Besuch der Rechtsradikalen oder gar Ärger rechnet Schwester Elisabeth nicht. Eine politische Wertung will sie nicht abgeben. »Was sollen wir auch sagen zu einer Veranstaltung, die von den Behörden genehmigt wird?«, fragt sie. »Wir sind hier, um zu beten und zu arbeiten.«
Ostritz' Bürgermeisterin Marion Prange liegt die Geschlossenheit der Stadtgesellschaft am Herzen. »Wir wollen für etwas und nicht gegen etwas einstehen«, sagt die parteilose 52-Jährige und freut sich, dass beim Stammtisch vor allem von engagierten Jugendlichen so viele Anregungen zur Ausgestaltung des bunten Bürgerfestes kommen. Sie sei stolz auf dieses Engagement und »das Zusammengehörigkeitsgefühl der Ostritzer. Darauf kann man zählen.« dpa/nd
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