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- Vor der Parlamentswahl
Wie Rassismus Italiens Wahlkampf anheizt
Rechtspopulisten machen mit falschen Zahlen Politik und schüren Angst
Es war genau vor einem Jahr, als Italien ein hochumstrittenes Flüchtlingsabkommen mit Libyen einleitete. Die Bilder von Booten voller Migranten mit angsterfüllten Gesichtern sind spätestens seit dem Sommer seltener geworden. Doch für viele Italiener gibt es immer noch viel zu viele von »denen«, von den »clandestini«, von den »extracommunitari« - also von den »illegalen« Einwanderern vor allem aus Afrika.
Diese Angst - oft ist es Ablehnung - hat nun mitten im Wahlkampf ein neues Gesicht bekommen: Luca T., der am Samstag in der Kleinstadt Macerata in der Region Marken aus dem Auto auf mehrere Migranten geschossen hat. »Rassenhass« lautet die Anschuldigung. Den Mord an einer 18-Jährigen wollte er rächen, so T.s Begründung, denn das Mädchen soll von einem Nigerianer umgebracht worden sein. Der Fall hat dem Thema Migration im Wahlkampf vor der Parlamentswahl am 4. März neue Brisanz verschafft.
Es handelt sich eben nicht um einen Einzelfall, um einen »Geistesgestörten«, wie Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi voll im Wahlkampfmodus erklärte. Denn Berlusconi selbst nannte die Anzahl Papierloser eine »soziale Bombe«, die kurz vorm Explodieren sei. Schließlich würden die Migranten ja gern Straftaten begehen.
Der Chef der Forza Italia ist im Wahlkampf ein Bündnis mit ausländerfeindlichen Parteien wie der Lega Nord eingegangen – in Umfragen liegt die Allianz derzeit mit rund 35 Prozent vorne. Und die Rechtspopulisten sehen einzig die unkontrollierte Einwanderung als Grund für eine solche Tat wie in Macerata – die Schuld daran schieben sie denjenigen zu, die das Land »mit illegalen Einwanderern gefüllt haben«, sprich: der sozialdemokratischen Regierung. Ähnliche Taten könnten folgen. Die Atmosphäre ist einen Monat vor der Wahl am vergiftet, selbst die mächtige katholische Kirche hat vor Angstmacherei und Rassismus gewarnt.
»Fast alle bestätigen, dass Einwanderung neben der wirtschaftlichen Lage das wichtigste oder zweitwichtigste Thema ist«, sagt Matteo Villa vom Think Tank ISPI. Der Versuch der sozialdemokratischen Regierung, das Problem nach dem Absinken der Ankunftszahlen vom Radar zu nehmen, sei gescheitert. »Es reicht ein kleiner Anstieg der Ankünfte, um wieder von einer Krise zu sprechen.« Laut einer Umfrage für die Zeitung »La Repubblica« geben 40 Prozent an, dass sie Migranten für die öffentliche Sicherheit als Gefahr sehen.
Italien ist zwar alleine wegen der geografischen Lage im Mittelmeer besonders von der Ankunft von Geflüchteten betroffen – bei einer Migrationskonferenz in Rom soll am Dienstag mit afrikanischen Transitländern beraten werden, wie es gelingen kann, dass der Zustrom nicht wieder zunimmt. Der Großteil der im Mittelmeer geretteten Menschen wird nach Italien gebracht. 2017 waren das mehr als 119.000. Aber zum Vergleich: In Deutschland wurden vergangenes Jahr mehr als 186.600 neu ankommende Flüchtlinge registriert.
Auf der Welle der Ausländerfeindlichkeit reitet vor allem Lega-Nord-Chef Matteo Salvini. Die Partei, die einst nur im reichen Norden stark war, weil sie die Abspaltung vom armen Süden wollte, hat sich unter Salvinis Führung Rassismus auf die Fahnen geschrieben. So will sie auch im Süden punkten. »Italiener zuerst« heißt Salvinis Motto – in Anlehnung an das Motto seines Vorbildes Donald Trump »America First«.
Salvini ließ offensichtlich unbekümmert, dass Luca T. für seine Partei bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr kandidiert hatte. In dem aufgeheizten Klima weiß man sowieso nicht, ob das der Lega sogar zugute kommen könnte.
Es wird mit falschen Zahlen jongliert, übertrieben, und jede Straftat eines Migranten wird ein Politikum. So spricht Berlusconi stets von mehr als 600.000 »Illegalen« in Italien. Das sind aber lediglich die Zahlen aller angekommenen Migranten seit 2013. »Die Zahl derer, die wirklich ohne Aufenthaltsgenehmigung im Land ist, ist geringer«, sagt Experte Villa.
Die Regierung von Paolo Gentiloni muss sich statt nur von »Angstmacherei« zu sprechen den Vorwürfen stellen, sich des Problems nicht genug angenommen zu haben, sondern vielmehr auf die Solidarität und Hilfe der EU-Partner gewartet zu haben. Warum gibt es nicht genug Unterkünfte für Migranten, warum lagern sie in Parks und Bahnhöfen? Warum müssen sie Häuser besetzen, betteln oder Drogen verkaufen? Das alles trägt zur öffentlichen Wahrnehmung von einer »Invasion« bei - selbst wenn es die rein faktisch nicht gibt. dpa/nd
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