Kleine Meldungen auf Seite 2
Wie das Neue Deutschland einst über Menschenhändler berichtete
Zu Zeiten, in denen es noch kein Internet gab und in denen zumindest Teile der DDR nicht mit Informationen aus dem »Westfernsehen« versorgt werden konnten, waren nicht wenige DDR-Bürger politisch einseitig informiert. Manche Themen kamen in DDR-Medien nur knapp oder gar nicht vor. Das trifft jedoch nicht zu, wenn es um den »Missbrauch des Transitabkommens« ging. Auf Seite 2 im »Neuen Deutschland« konnte man einen Eindruck davon gewinnen, wie einträglich, aber auch wie gefährlich Menschenhandel sein kann.
Die Meldungen, die auf »weißem Papier«, dessen stelziger Text wortgetreu abgedruckt werden musste, in die Redaktion kamen, waren kurz. Eine wiederkehrende Schlagzeilen lautete: »Kurier der kriminellen Mierendorff-Bande verurteilt«. Dazu in Konkurrenz stand die »kriminelle Lampl-Bande«. Die »Dawid-«, die »Heyer-« und die »Lenzlinger-Bande« genossen etwas weniger Aufmerksamkeit. Um Abwechslung bemüht, wurde in den kurzen Meldungen auch über »Verkehrsgefährdung durch BRD-Bürger« berichtet. Bisweilen fiel der Pressestelle des Ministeriums für Staatssicherheit auch nur ein, dass ein »Grenzverletzer aus Berlin (West)« festgenommen oder verurteilt worden ist.
Diese Meldungen hatten eine zweifache Wirkung. Zum einem zeigten sie, dass es offenbar viele DDR-Bürger gab, die Gefahren auf sich nahmen und sich hoch verschuldeten, um den Arbeiter- und Bauernstaat verlassen zu können. Doch diese Wirkung nahm man in Kauf, um den Eindruck zu erwecken, dass die »zuständigen Organe« der DDR sehr genau Bescheid wussten über die Fluchthilfeorganisationen. Man benannte Tarnfirmen, enttarnte Mitarbeiter und Treffpunkte.
Ziel solcher Meldungen war es erstens zu zeigen, wie wenig der Bundesrepublik an einer friedlichen Koexistenz mit der DDR gelegen war. Noch wichtiger war der Aspekt Abschreckung. Lasst euch nicht auf so ein Wagnis ein, bedeutete man fluchtwilligen DDR-Bürgern. In Richtung Westen signalisierte das MfS: Wir haben euch längst infiltriert. Und so präsentierte das MfS öffentlich ab und an besonders präparierte Fluchtfahrzeuge, mit denen am Rande der Transitstrecken »Touristen« aufgenommen wurden. Insbesondere mit Lastwagen versuchte man ganze Familien in den den Westen »umzusiedeln«.
In einem Prozess gegen eine Mitarbeiterin der »Lampl-Bande« hieß es, allein von Juli bis September 1978 seien zehn weitere Helfer des Julius Lampl festgenommen worden. Der ließ seine Honorarkräfte auf eigene Gefahr agieren und amüsierte sich in Hamburg. Bis zu jenem Tag Angang der 80er Jahre, an dem in seiner Umgebung eine Bombe hochging. Vermutlich war sie nur eine Warnung, denn in der Regel lieferte das MfS »Qualitätsarbeit«.
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