Juso-Chef Kühnert: Personalfrage darf Mitgliederentscheid nicht überlagern

SPD-Basis soll über die Inhalte des ausgehandelten Koalitionsvertrages und den künftigen Weg der Partei diskutieren

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Berlin. Juso-Chef Kevin Kühnert wirft der SPD-Spitze vor, mit der Ankündigung eines Führungswechsels inhaltliche Diskussionen völlig zu überlagern. Er sei »fassungslos« darüber, wie man es zulassen könne, dass die SPD nach wochenlangen Koalitionsverhandlungen nun einzig und allein über Personaldiskussionen wahrgenommen werde, sagte Kühnert am Mittwoch in Berlin. Er könne nur sehr davor warnen, es zuzulassen, dass die Personalfrage auch die nächsten drei Wochen des Mitgliederentscheids überlagere. Die Basis wolle über die Inhalte des ausgehandelten Koalitionsvertrages und den künftigen Weg der Partei diskutieren - und nicht darüber, wer künftig den Parteivorsitz übernehme. Das seien »nachrangige Fragen, die später zu entscheiden sind«.

SPD-Chef Martin Schulz hatte am Mittwoch nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit der Union seinen Rückzug als Parteichef angekündigt und Fraktionschefin Andrea Nahles als seine Nachfolgerin vorgeschlagen. Schulz will Außenminister unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) werden, wenn die SPD-Basis bei der anstehenden Mitgliederbefragung der Großen Koalition zustimmt.

Kühnert betonte, die Jusos wollten den Personalwechsel inhaltlich nicht bewerten, bevor der Mitgliederentscheid nicht beendet sei. Zum Ausgang des Votums sagte er: »Ich halte die Abstimmung für vollkommen offen.« Das knappe Votum beim Parteitag zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen habe gezeigt, »wie eng es sein kann«. In den vergangenen Wochen seien noch dazu gut 25.000 neue Mitglieder eingetreten, von denen viele gegen eine GroKo seien.

Der ausgehandelte Koalitionsvertrag habe nichts an der Haltung der Jusos geändert. »Diese Große Koalition - so sie denn zustande käme - würde nur kleine Lösungen für große Probleme anbieten«, beklagte Kühnert. »Und das halten wir in dieser Zeit nicht für angemessen.«

Auch die Jusos in Schleswig-Holstein stehen auch nach Abschluss der Berliner Koalitionsverhandlungen einer Neuauflage des Regierungsbündnisses aus SPD und Union kritisch gegenüber. »Ich bin nach wie vor skeptisch«, sagte die Landesvorsitzende Sophia Schiebe der Deutschen Presse-Agentur. Sie tendiere für den anstehenden Mitgliederentscheid auf jeden Fall zu einem Nein. Schiebe kritisierte auch, dass Parteichef Martin Schulz nun entgegen früheren Ankündigungen Außenminister werden will: »Wir sehen das sehr kritisch, sollte Martin Schulz das Ministeramt antreten.«

Für eine endgültige Entscheidung müsse sie noch genauer den Wortlaut des Koalitionsvertrags analysieren, sagte die Juso-Landeschefin. Es gehe in erster Linie um die Inhalte, aber auch um Vertrauen. So stelle sich die Frage, ob sich Horst Seehofer (CSU) als Innenminister in der Flüchtlingspolitik an die Vereinbarungen halten werde oder ob er vor allem das Profil der CSU im Auge habe.

Sie erwarte, dass die Parteiführung jetzt eine offene Diskussion ermöglicht und nicht einseitig ein Werben für die GroKo vorantreibt, sagte Schiebe. Sie rechne mit einem sehr knappen Ausgang des Mitgliederentscheids der SPD.

Ein Toaster für die Mitgliederwerbung

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil reagierte auf das Engagement des Juso-Chefs gelassen. Für seine Bemühungen um neue Parteimitglieder hatte Kühnert jüngst aus Scherz einen SPD-Toaster gefordert. Den hat Klingbeil ihm nun überreicht, wie ein von Klingbeil am Mittwoch veröffentlichtes Foto auf Twitter zeigt. »Dieser junge Mann hat besonders engagiert in den vergangenen Wochen für neue SPD-Mitglieder geworben. Dafür gabs heute als Prämie von mir einen SPD-Toaster! @KuehniKev #spderneuern«, twitterte Klingbeil dazu.

Am Montag hatte Kühnert auf Twitter geschrieben: »In aller Bescheidenheit: Die Jusos nehmen gerne einen SPD-Toaster für besondere Verdienste um die Mitgliederentwicklung unserer Partei entgegen.«

Der rote Toaster mit weißem SPD-Logo gehört zum Werbeartikel-Angebot der Partei und kann unter anderem über den Online-Shop erworben werden. Brotscheiben, die damit getoastet werden, kommen außen mit SPD-Logo wieder heraus. dpa/nd

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