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Unter strenger Beobachtung
Beim Curling starten die ersten Russen als neutrale Athleten schwach im neuen Mixed-Wettbewerb
Es war Anastassija Brysgalowa und Alexander Kruschelnizki kaum zu verübeln, dass sie wortlos an der versammelten Journalistenschar vorbeiliefen. Sie sind zwar verpflichtet, nach ihren Wettkämpfen einmal durch die olympische Mixed-Zone durchzulaufen, reden müssen sie aber mit niemandem. Und am Donnerstagmorgen hatten sie keine Lust, zu reden.
Die beiden russischen Curler hatten gerade mit der Partie gegen die USA die Olympischen Spiele quasi »voreröffnet«, dabei aber eine herbe 3:9-Niederlage erlitten. Doch das dürfte nicht der einzige Grund für das Schweigen der Mixed-Weltmeister des Jahres 2016 gewesen sein, der sportliche Teil war ja auch nicht der Hauptgrund dafür, dass die Pressetribüne während des Spiels wegen Überfüllung geschlossen werden musste - bei einem Vorrundenspiel im Curling! Nein, all dies lag sicher daran, dass Brysgalowa und Kruschelnizki die ersten beiden Sportler waren, die offiziell als »Olympische Athleten aus Russland« bei den Spielen von Pyeongchang angetreten waren.
Nach dem Dopingskandal von Sotschi 2014 hatte das Internationale Olympische Komitee (IOC) das russische NOK suspendiert. Es erlaubt nun nur nachweislich sauberen russischen Athleten auf Einladung des IOC einen Start in Südkorea. Und der erfolgt auf besondere Weise: Statt unter russischer Fahne liefen Brysgalowa und Kruschelnizki unter der weißen Flagge mit den olympischen Ringen ein. Im Falle eines Turniersieges würde ihre Hymne nicht gespielt werden, und auch auf ihrer Kleidung darf außer »Olympic Athlete From Russia« kein Hinweis auf ihre Herkunft gezeigt werden, weder in Schrift noch mit Landesfarben. Also spielten die beiden statt in Blau-Weiß-Rot an diesem Morgen in einer eher ungewohnten Schwarz-Weiß-Kombination.
Ob ihnen das zu schaffen macht, sollte später ihr Trainer Wassili Gudin der Presse erläutern. »Es war okay«, sagte der 40-Jährige. »Wir wussten es ja vorher. Als wir im Dezember davon erfahren haben, waren wir schon nervös, wie das wohl wird. Aber dann haben wir uns darauf vorbereiten können. Jetzt können wir ganz gut damit umgehen, denke ich. Wir konzentrieren uns völlig auf unsere Spiele.«
Leider klappte das gegen das US-amerikanische Geschwisterpaar Matt und Becca Hamilton dann aber doch nicht. »Alexander Kruschelnizki hat heute sehr schlecht gespielt. Das kam auch für mich sehr unerwartet«, sagte Gudin nach der Auftaktpleite. »Ich denke, er war sehr nervös.« Da wurden die Pressevertreter gleich hellhörig, doch der Trainer wiegelte ab: »Das lag nicht an den Begleitumständen wie Flaggen und Hymnen. Es lag einfach daran, dass es seine ersten Olympischen Spiele sind. Ich hoffe, das legt er schnell ab.« Beim 4:3-Erfolg am späten Abend gegen Norwegen zeigte sich Kruschelnizki dann schon verbessert und sorgte mit seinem letzten Stein für den entscheidenden Punkt zum Sieg.
Bei der Eröffnungsfeier an diesem Freitag werde das Paar fehlen, bestätigte Gudin. Aber nein, auch das habe nichts damit zu tun, dass die Mannschaft hinter einer neutralen Flagge ins Olympiastadion einmarschieren darf. Der Grund sei der enge Spielplan der beiden. Am Tag der Eröffnung werden die beiden Russen zweimal spielen, am Tag danach auch, und die erste Partie am Samstagmorgen beginnt schon kurz nach 9 Uhr. Die Nacht wäre doch ziemlich kurz, da verzichtet man dann auch mal auf das Erlebnis Eröffnungsfeier, selbst wenn es die ersten Spiele sind.
Die russische Mannschaft steht in Pyeongchang unter besonderer Beobachtung: nicht nur durch die Medien, sondern auch durch das IOC. Das Exekutivkomitee hatte die Möglichkeit in Aussicht gestellt, dass schon bei der Abschlussfeier am 25. Februar die Suspendierung wieder aufgehoben wird. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sich die Russen gut benehmen und das Urteil des IOC anerkennen. Ob sie auch endlich ihre organisierten Manipulationsvergehen von Sotschi zugeben müssen, hat das IOC in seiner so typischen unklaren Art offengelassen.
Klar ist aber, dass zu viel Kritik an der IOC-Entscheidung nicht gut ankommen dürfte. Vielleicht wollten die beiden Athleten auch deshalb lieber schweigen. Trainer Wassili Gudin fand zwar ein paar Worte, war dabei aber auch bemüht, nichts Falsches zu sagen. »Uns Curlern geht es noch ganz gut. Wir hatten bei der ganzen Sache ja keine Probleme. Für all die anderen Sportler aber sollte es eine einheitliche Lösung geben. Stattdessen spricht der CAS 28 Leute frei, und bei anderen lässt er die Sperren bestehen«, erinnerte er an die jüngsten Urteile des Internationalen Sportgerichtshofes. »Das ist sehr traurig für unsere Sportler. Denn die allermeisten von ihnen sind fair.«
Im Gangneung Curling Centre war am Donnerstagmorgen übrigens nicht nur die Pressetribüne voll, auch die 3000 Zuschauerplätze waren gefüllt. Die Ankündigung der Veranstalter, die Koreaner würden trotz schleppenden Vorverkaufs am Ende doch noch alle Arenen füllen, scheint sich zu bewahrheiten. Und das hatte zur Abwechslung wirklich überhaupt nichts mit den russischen Curlern zu tun, sondern nur mit Jang Hye-ji und Lee Ki-jeong. Obwohl die 20-Jährige und ihr zwei Jahre älterer Partner zuvor bei Weltmeisterschaften nie über Rang sechs hinausgekommen sind, erwarten ihre Landsleute eine Goldmedaille von den beiden. Immerhin: Das Spiel gegen Finnland wurde 9:4 gewonnen, gegen China abends aber 7:8 verloren.
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