Kakao im Stress

  • Reinhard Renneberg, Innsbruck & Hongkong
  • Lesedauer: 3 Min.
Kakao bietet der Forschung noch so manches Rätsel. Man weiß zwar, wie Kakaobohnen verarbeitet, getrocknet oder geröstet werden müssen, damit sie ihr Aroma entfalten, doch welche Stoffe das besondere Aroma bewirken und wie Anbaumethoden den Geschmack beeinflussen, darauf hat auch die Wissenschaft nur unbefriedigende Antworten. Ein Forscherteam um Wiebke Niether und Gerhard Gerold von der Uni Göttingen wollten Genaueres wissen. Im Fachblatt »Journal of Agricultural and Food Chemistry« (DOI: 10.1021/acs.jafc.7b04490) erläutern die Forscher ihr Vorgehen: Sie ernteten Bohnen von fünf Kakao-Plantagen in Bolivien am Beginn und Ende der Trockenzeit (April bis September). Die Bäume wuchsen entweder in voll besonnten Plantagen oder aber in Agroforsten.

Kakaobäume (Theobroma cocoa) gedeihen in Äquatornähe in feucht-heißem Klima. Theobroma heißt aus dem Griechischen übersetzt »Speise der Götter«. Sie wachsen traditionell gemischt mit anderen Pflanzen, die lebensnotwendigen Schatten spenden, zumeist in Agroforsten. Das bedeutet wenig Stress für die Pflanzen, man reichert Nährstoffe an und reguliert den Grundwasserspiegel. Um aber höhere Erträge zu erzielen, legt der Mensch Kakao-Plantagen an: Einzelbäume in Monokulturen, mit viel Stress für die Pflanzen.

Die Bäume produzieren als Antwort auf den Stress Antioxidantien. Diese können auch den Geschmack der Kakao-Bohnen verändern. Wiebke Niether, Gerhard Gerold und ihre Kollegen analysierten die Kakao-Bohnen aus den verschiedenen Anbauformen, nachdem sie wie üblich verarbeitet wurden: Die Kakaoschoten wurden aufgeschlagen und die Bohnen mit dem Fruchtfleisch herausgeschabt, in großen Haufen abgedeckt über einige Tage gelagert. Die bei dem einsetzenden Gärungsprozess entstehenden Produkte Alkohol, Milchsäure und Essigsäure wirken auf die Bohnen ein. Erst dabei und bei der weiteren Fermentierung der Bohnen bilden sich jene Aromastoffe, die für das komplexe Kakaoaroma verantwortlich sind.

Die Unterschiede zwischen Plantagen- und Agroforst-Kakao erwiesen sich als nicht allzu groß. Größere Unterschiede gab es erst im Zusammenhang mit dem Wetter: Sobald es wärmer war und die Bodenfeuchtigkeit geringer wurde, enthielten die Kakaobohnen mehr Antioxidantien und weniger Fett.

Da sich Wärme und Trockenheit in den bunten Mischkultur-Agroforsten weniger stark bemerkbar machten, waren die dort wachsenden Pflanzen bei solchem Wetter im Vorteil.

Ich habe Wiebke Niether anfragt, welcher Kakao denn nun besser schmeckt. Ich nahm ja an, der weniger gestresste. Auch Cartoonist Ming war dieser Meinung. Doch stimmt das? Oder müssen wir vielleicht umdenken?

Angeblich schmecken ja den Katzen gestresste Mäuse besser …

Die Kollegin hat mich beruhigt: »Dass die Schokolade zumindest glücklicher ist, wenn sie aus dem Agroforst kommt, unterstütze ich. Über den Geschmack an sich können wir aber noch nicht so viel sagen, Phenole sind für bitteren Geschmack zuständig, aber Geschmack ist ja bekanntlich Geschmackssache.«

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