»El Faro« bricht in El Salvador mit Tabus

Das Onlinemedium ist ein publizistischer Leuchtturm in Zentralamerika

  • Martin Reischke
  • Lesedauer: 5 Min.

Mit einem dramatischen Videospot auf Youtube geht El Faro auf Spendentour. »Wir sind Teil einer besorgten Bürgerschaft«, sagt Redaktionschef Ricardo Vaquerano in dem kurzen Film. »Um uns herum geschehen Dinge, von denen wir nichts wissen - und von denen einige wollen, dass sie geheim bleiben. Aber damit ist jetzt Schluss.« Der Aufruf soll dabei helfen, dass Leserinnen und Leser künftig mehr Geld spenden, damit die Journalisten des Onlinemediums aus El Salvador noch besser und gründlicher recherchieren können - und den Mächtigen im Land auch weiter auf die Füße treten. Schon heute unterstützen nicht nur Salvadorianer, sondern auch einige Leser in Nordamerika, Spanien oder Deutschland die Arbeit der Redaktion.

In diesem Jahr feiert »El Faro« seinen 20. Geburtstag, und als unabhängiges Medium sind die Finanzen noch immer ein Dauerthema. Aber die konstanten Geldnöte haben auch ihr Gutes: Denn die ersten sieben Jahre, in denen kein einziges Honorar bezahlt werden konnte, hätten die Redaktion zusammengeschweißt: »Das war identitätsstiftend für das ganze Projekt«, erzählt Carlos Dada, einer der zwei Gründungsväter. »Denn ein Projekt, wo die Leute mit ganzem Herzen dabei sind, weil sie an das glauben, was sie tun, ist auch viel besser geschützt vor äußeren Bedrohungen und vor wirtschaftlichem Druck.«

Sechs Jahre nach Ende des Bürgerkriegs in El Salvador 1998 als ambitioniertes No-Budget-Projekt gegründet, ist »El Faro« - auf Deutsch »Der Leuchtturm« - längst zu einem der führenden Investigativmedien in Lateinamerika aufgestiegen. Auch als Onlinemedium hat »El Faro« auf dem Kontinent Pionierarbeit geleistet - dabei war die Publikation im Internet am Anfang nur eine Notlösung, weil das Geld für den Druck einer richtigen Zeitung fehlte. Nach den ersten fünf Jahren ließ »El Faro« schließlich eine Marktstudie erstellen, um seine wirtschaftlichen Möglichkeiten auf dem Printmarkt auszuloten. Das Ergebnis war vernichtend, doch Carlos Dada nahm es gelassen. »Das hat ganz viel Druck von uns genommen und uns erlaubt, uns nach neuen Möglichkeiten umzuschauen.«

Heute publiziert »El Faro« nicht nur auf der eigenen Seite im Internet, sondern will sich mit Radiosendungen und Videodokumentationen ein breiteres Publikum erschließen, das über die Hauptstadtelite hinausgeht. Anders als den traditionellen Medien des Landes ist es dem Medium gelungen, sich vom wirtschaftlichen Druck der Anzeigenkunden freizumachen - auch dank langfristiger Unterstützung von Organisationen wie der US-amerikanischen Open Society von George Soros und der Friedrich Ebert- oder Heinrich-Böll-Stiftung. Das Erfolgsrezept: gründlich recherchierte Hintergrundstücke von einer Länge, über die jeder vermeintliche Onlineprofi bloß den Kopf schütteln würde.

Auch wenn El Salvador in der Region in Sachen Pressefreiheit vergleichsweise gut dasteht - in der aktuellen Rangliste der Organisation Reporter ohne Grenzen landet der Staat auf Platz 62 - durch seine Berichterstattung über Themen wie Korruption, Drogenschmuggel oder organisierte Kriminalität hat sich »El Faro« viele Feinde gemacht, und die Lage wird nicht einfacher. »Im Vergleich zu vor fünf Jahren sind die Risiken für Journalisten in El Salvador größer geworden«, sagt Carlos Dada. »Heute geht die Bedrohung direkt von den staatlichen Institutionen aus, und der Staat selbst gibt grünes Licht, damit diese Bedrohung weitergeht.«

Den Zorn der staatlichen Institutionen zog »El Faro« zum Beispiel auf sich, als deren Reporter belegen konnten, dass salvadorianische Polizisten an der systematischen Ermordung von jugendlichen Gangmitgliedern beteiligt waren. Selbst als »El Faro« nach der Publikation die Bedrohung ihrer Reporter durch Polizisten öffentlich machte, verteidigte der Staat lieber die Täter, anstatt die Journalisten zu schützen.

»Die Antwort des Staates war, dass die Polizisten Helden sind, die uns vor der organisierten Kriminalität schützen, und jeder, der ihnen widerspricht, ist ein Feind der Ruhe und des Friedens im Land«, erzählt Dada.

Was also kann Journalismus leisten in einer Gesellschaft, die auch 25 Jahre nach Ende des Bürgerkrieges ideologisch polarisiert ist und die eigenen Kriegstraumata noch längst nicht aufgearbeitet hat? José Luis Sanz hat darauf eine klare Antwort: »Die Aufgabe des Journalismus ist es, voranzugehen und neue Wege zu beschreiten, damit auch der Rest der Gesellschaft die Möglichkeit hat, eigene Fragen zu stellen und eigene Meinungen zu vertreten«, sagt der Chefredakteur von »El Faro«. »In El Salvador gibt es immer noch Angst davor, Fragen zu stellen und bestimmte Dinge zu sagen.«

Die 20-köpfige Redaktion versucht, mit diesen Tabus zu brechen. Gerade erst wieder mit ausführlichen Berichten über das Gerichtsverfahren zum Massaker von El Mozote - einem der größten Kriegsverbrechen in der modernen Geschichte Lateinamerikas, das von den meisten Medien des Landes lange ignoriert wurde. Damit macht »El Faro« seinem Namen alle Ehre. Denn tatsächlich ist es zum journalistischen Leuchtturm und Vorbild für andere Onlinemedien in der Region wie »Plaza Pública« und »Nómada« in Guatemala geworden, die sein investigatives Konzept übernommen haben.

Auch einige Politiker in El Salvador haben erkannt, dass guter, unabhängiger Journalismus seine Berechtigung hat. Einer von ihnen ist der Abgeordnete Johnny Wright Sol von der konservativen Oppositionspartei ARENA. »Die Journalisten von ›El Faro‹ gehören zu denjenigen, vor denen wir als Politiker flüchten, die am unangenehmsten sind, die die schwierigsten Fragen stellen«, erzählt der junge Politiker. »Aber darum geht es ja: Sich den Mächtigen in den Weg zu stehen, nicht immer grünes Licht zu geben und nicht zuzulassen, dass die Mächtigen hier alles tun und lassen können, ohne sich kritischen Fragen stellen zu müssen.«

Website El Faro: www.elfaro.net

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