Deutsche Konzerne können nicht mehr planen
2017 änderten hiesige Börsenschwergewichte so häufig wie seit 2011 nicht ihre Gewinn- und Umsatzprognosen
Auf den ersten Blick ist es eine Erfolgsmeldung aus der deutschen Wirtschaft, wie man sie dieser Tage häufig liest: »DAX-Konzerne konnten ihre Anleger überraschen«, titelte »Handelsblatt online« am Dienstagvormittag. »Die Konjunktur brummt«, schrieb ZDFheute auf seiner Internetseite. Der Grund für diese Lobeshymnen auf Deutschlands größte Unternehmen: eine Studie der Unternehmensberatung EY, der zufolge 57 Prozent der 30 DAX-Unternehmen vergangenes Jahr ihre Prognose mindestens ein Mal nach oben korrigierten, während nur zehn Prozent ihre Gewinn- und Umsatzprognosen senken mussten. Für die Studie analysierten die Berater die Gewinn- und Umsatzwarnungen von insgesamt 304 Konzernen. Dies waren allesamt Unternehmen, die im Prime Standard gelistet sind und damit besonderen Rechenschaftspflichten bei der Deutschen Börse unterliegen.
»Die Konjunktur hat sich in den vergangenen Monaten besser entwickelt als erwartet - sowohl in Europa als auch in anderen Regionen wie Asien und Nordamerika«, erklärt Marc Förstemann von EY. Die Nachfrage sei zuletzt deutlich gestiegen - gerade die gute Entwicklung in einigen ehemaligen europäischen Krisenländern gebe den Unternehmen einen zusätzlichen Wachstumsschub. »Viele Unternehmen hatten das Geschäftsjahr vorsichtig geplant, für diese kam die weiterhin sehr positive Entwicklung überraschend.«
Doch so rosig, wie die Lage auf den ersten Blick erscheint, ist sie nicht. »Der Anstieg der Prognoseänderungen ist ein Abbild der gestiegenen Unsicherheiten in globalen Märkten«, weiß Martin Steinbach, ebenfalls EY-Berater, zu berichten. Steigende Rohstoffpreise, der Höhenflug des Euros, der neue Kurs der US-Regierung und die nachlassende Dynamik der britischen Wirtschaft führten bei einigen Unternehmen zu spürbaren Einbußen - je nachdem, ob und wie stark sie auf den betroffenen Märkten aktiv seien.
Hinzu kommt, dass der Aufschwung hierzulande mittlerweile recht lange andauert und es bald wieder bergab gehen könnte. »Wir bewegen uns am oberen Rand des Konjunkturzyklus - in diesem hoch volatilen Umfeld müssen immer mehr Unternehmen ihre Prognosen im Lauf des Geschäftsjahres kassieren«, so Förste-mann. Die Herausforderung bestehe darin, von der nach wie vor sehr guten Konjunktur zu profitieren und gleichzeitig auf mögliche »deutliche Korrekturen« gut vorbereitet zu sein.
Will heißen: Die Lage ist so unübersichtlich geworden, dass die Unternehmen derzeit schlecht planen können. Wobei die meisten 2017 noch positiv von der Entwicklung überrascht wurden. Laut der EY-Studie haben 59 Prozent aller Unternehmen mindestens einmal ihre Prognose kassiert. So hoch war der Anteil noch nie, seit die Berater von EY im Jahr 2011 erstmals diese Statistik erstellten. Zum Vergleich: 2016 lag der Anteil bei 38 Prozent. Insgesamt stieg damit die Anzahl der Prognosekorrekturen der hiesigen Börsenschwergewichte im Vergleich zu 2016 von 155 auf 294. So wurden vergangenes Jahr 95 Gewinn- und Umsatzwarnungen ausgesprochen - ein Plus von 44 Prozent. Gleichzeitig konnten die großen Aktiengesellschaften vergangenes Jahr 199 statt 89 mal höhere Gewinne vorhersagen.
Wie nervös die Wirtschaft derzeit nicht nur in Deutschland ist, beweist der Kursrutsch vergangene Woche an den Börsen weltweit. Nachdem der Dow Jones am Montag eingebrochen war, fielen auch die Aktienwerte in Frankfurt am Main weiter. Insgesamt rutschte der DAX von seinem Höchststand am 23. Januar von 13 559 Zähler auf 12 107 Zähler vergangene Woche.
Vor allem mittelgroßen Konzernen fällt es schwer, mit der Unsicherheit umzugehen und richtig zu planen. 30 Prozent aller Unternehmen mit einem Umsatz von 250 Millionen bis zu einer Milliarde Euro mussten ihre Prognose korrigieren, während es bei den Schwergewichten ab fünf Milliarden Euro Jahresumsatz nur 16 Prozent waren. Währenddessen gelang es vor allem kleineren Konzernen mit einem Jahresumsatz von bis zu 250 Millionen Euro, ihre eigene Erwartungen anzuheben. Jeder zweite von ihnen machte dies mindestens einmal im vergangenen Jahr.
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