Börsengang mit vielen Tücken
Saudi-Arabien will Anteile an seinem Ölkonzern versilbern, doch das ist kompliziert
Neue Städte mitten in der Wüste, ein Ferienparadies so groß wie halb Belgien, Entwicklungszentren für die Technik der Zukunft, Brücken nach Afrika - auf den Reißbrettern der Planer in den gekühlten Büros in Riad sieht die Zukunft rosig aus: »So wie Saudi-Arabien seit Jahrzehnten im Zentrum der weltweiten Ölförderung stand, werden wir künftig eine zen-trale Rolle bei der Entwicklung von erneuerbaren Technologien einnehmen«, sagte Kronprinz Mohammad bin Salman im Januar. Der Thronfolger ist de facto Herrscher im Königreich, seit im vergangenen Herbst Dutzende Funktionäre festgenommen und ihre Aufgaben an Kronprinz Mohammad übertragen wurden.
Doch der Umbau der Wirtschaft kommt ins Stocken, noch bevor er begonnen hat: Um das nötige Geld einzunehmen, will die Regierung fünf Prozent der Anteile am staatlichen Ölkonzern Saudi Aramco an die Börse bringen. Der Plan ist indes gefährdet, obwohl es sich auch dabei um einen Superlativ handelt: Man erwarte, gut 100 Milliarden Euro einzunehmen, so Ölminister Khalid al Falih. Demnach würde Saudi Aramco insgesamt mit rund zwei Billionen US-Dollar bewertet, also doppelt so viel wie Apple. Nie zuvor hätte es eine ähnlich umfangreiche Aktienplatzierung gegeben.
Dass Saudi Aramco aber tatsächlich noch in diesem Jahr in New York, Frankfurt, London oder Hongkong gehandelt werden wird, daran zweifelt mittlerweile auch Minister al Falih: »Wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen, um ein derart umfangreiches Projekt zu realisieren.« Zu schaffen machen der Regierung aufsichtsrechtliche Bestimmungen wie die Offenlegung der Daten über vorhandene Ölreserven; Saudi-Arabien betrachtet diese Information aber als Staatsgeheimnis. Bemühungen der Londoner Börse, die Bestimmungen für Saudi Aramco anzupassen, stoßen in Großbritannien auf Widerstand.
In New York ist zudem das juristische Risiko hoch: Angehörige von Opfern der Anschläge am 11. September 2001 haben angekündigt, Schadenersatzklagen vor US-Gerichten einreichen zu wollen. Opferorganisationen geben Saudi-Arabien eine Mitschuld.
Vor allem aber sind auch potenzielle Investoren zurückhaltend: Die saudischen Erwartungen werden als völlig unrealistisch bezeichnet. Niemand weiß genau, was Saudi Aramco wert ist. Angaben der OPEC zufolge kontrollierte der Konzern 2010 zehn Prozent der weltweiten Ölförderung. »Doch niemand kann sagen, ob das tatsächlich noch so ist, weil die Informationen über die noch vorhandenen Ölreserven fehlen.«
Hinzu kommt, dass die Ölpreise politischen Einflüssen unterliegen: Saudi-Arabien befindet sich in einem kalten Krieg mit dem Iran; um die wirtschaftliche Erholung der Islamischen Republik nach der Unterzeichnung des Atomabkommens zu behindern, steigerte man die Ölproduktion und hielt so den Ölpreis niedrig.
Für Verunsicherung sorgt auch die politische Situation im Königreich mit einer Verhaftungswelle im vergangenen Jahr. Besonders problematisch ist, dass Mohammad bin Salman nicht so fest im Sattel sitzt, wie es scheint. Durch die Festnahmen hat er sich Feinde gemacht, zudem musste Saudi-Arabien wegen eines extrem hohen Haushaltsdefizits Steuern erhöhen und staatliche Leistungen abbauen, was für Ärger in der Bevölkerung gesorgt hat. Ob bin Salman bleibt, hängt auch vom Erfolg der Wirtschaftspläne ab. Der allgemeine Ruf des Landes ist nicht eben positiv: Man führt einen Luftkrieg im Jemen, versagt Frauen fast alle Rechte, verhängt drastische Strafen gegen Oppositionelle.
Dann ist auch noch die Frage, wie hoch der weltweite Ölbedarf in Zukunft überhaupt sein wird: In Fachmedien wird darauf hingewiesen, dass vor allem in Europa die Nutzung erneuerbarer Energien gefördert wird, was sich mittelfristig auch auf die Bedeutung und Bewertung von Saudi Aramco auswirken werde.
Der Konzern buhlt derweil um russische Pensionfonds, die Interesse an den Aktien signalisiert haben, und um die Google-Mutter Alphabet; gerne würde man gemeinsam mit ihr ein Technologiezentrum bauen: »Auch Saudi Aramco muss sich verändern, um bereit für die Zukunft zu sein«, so Ölminister al Falih.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.