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Die Messe der Weltkonzerne

Im Olympiapark von Gangneung wird die Kommerzialisierung Olympias deutlich sichtbar

Punkt zehn Uhr strömen sie aus. Der Arbeitstag für die 20 jungen Koreaner in ihren rot-weiß-schwarzen Winterjacken wird etwa zwölf Stunden dauern. Im Olympiapark von Gangneung wird das Thermometer an diesem Tag den Gefrierpunkt nicht überschreiten, und die jungen Menschen müssen draußen arbeiten. Aber wenigstens scheint die Sonne. Das Gebäude, aus dem sie gerade kommen, ist etwa fünf Stockwerke hoch, knallrot und hat übergroße Knöpfe, in einer Höhe, die kein Mensch erreichen kann. Es soll einen übergroßen Getränkeautomaten darstellen. Hier wirbt Coca Cola, und es ist bei weitem nicht der einzige Reklamepavillon, denn so ein Olympiapark ist nicht nur die Ansammlung von Eishockey-Arena, Eisschnelllauf-Oval, Shorttrack-Halle oder Medals Plaza. Vor allem ist er die Messe der Olympiasponsoren.

Die jungen Helfer bauen Warteschlangentrenner auf. Davon brauchen sie viele, denn in einer Stunde, wenn der Pavillon öffnet, werden sich schon Hunderte angestellt haben. Dabei kann man die Riesenmaschine nicht einmal betreten. »Wir wollten mal ein anderes Konzept, bei dem die Leute den offenen Raum genießen können«, sagt Jeong Inkyo, Managerin der Werbestätte.

Ollis Olympia Tagebuch

Das neue Konzept schadet zumindest nicht, 90 Minuten später ist der Platz voll. Lee Ryu Jeong, wirft mit ihrer Schwester und ihrer Mutter eine meterhohe koreanische Won-Münze in den Automaten. Sekunden später kommen nebenan drei Dosen Cola raus - in normaler Größe. Trotzdem kreischen sie, denn sie erhalten noch drei kleine Flaschen dazu. »Die sind limitiert und haben ein schönes Olympiadesign mit den Sportarten drauf«, sagt Lee. Und dafür habe sie nur eine halbe Stunde anstehen müssen. Die 20-Jährige wohnt gleich um die Ecke. Nachts könne sie wegen der lauten Konzerte nur schlecht einschlafen, aber jetzt habe der Park ihr Glück in der Flasche beschert.

Wenn Kritiker die ausufernde Kommerzialisierung der Olympischen Spiele bemängeln, ist der Olympiapark das perfekte Anschauungsbeispiel. Durchquert man ihn zu Fuß von einem Ende zum anderen, dauert das gute 20 Minuten, und auf dem Weg begegnen dem Sporttouristen die Logos aller Großsponsoren der 23. Winterspiele in Pyeongchang und Gangneung. Da wären zunächst die 13 größten Player, die oft jahrzehntelange Verträge direkt mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) abgeschlossen haben. Dazu kommen elf weitere, die das lokale Organisationskomitee POCOG finanziell stützen. Es gibt noch 71 andere Sponsoren, doch deren Beitrag war offenbar nicht groß genug für das Recht auf einen Pavillon. Exklusivität muss teuer bezahlt werden.

»Das Wort Sponsor mögen wir nicht besonders«, sagt die Coca-Cola-Sprecherin. Wir sehen uns eher als Partner des IOC. So bezeichnen sich auch die zwölf anderen Weltunternehmen im sogenannten TOP-Programm. Wie viel Geld sie dem IOC genau für die Werbelizenzen zahlen, verraten weder die Firmen noch das IOC. Experten schätzen, dass es im Schnitt gut 200 Millionen Euro für vier Jahre sind. Die Sportorganisation erhält also mehr als zwei Milliarden Euro, und das sind laut IOC-Angaben nur etwa 40 Prozent ihrer Gesamteinnahmen. Der Verkauf von Fernsehrechten bildet einen ähnlich großen Anteil.

Zu 90 Prozent werde das Geld zurück in die Organisation der Spiele und die weltweite Förderung des Sports investiert, sagt das IOC. Pyeongchangs Organisatoren erhielten auf diesem Weg etwa 700 Millionen Euro Direkthilfe. Davon werden dann Olympiastadien, Skisprungschanzen und Bobbahnen gebaut. Sportstätten, von denen niemand weiß, ob sie in zehn Jahren noch einen Nutzer finden werden. Für Olympia aber werden sie gebraucht, und sie kosten viele Millionen.

Die Großsponsoren geben nicht nur Geld, sie liefern auch Material und Dienstleistungen für die Spiele: Autos, Apps, Strom, Fernseher, Logistikhilfe, Zeiterfassung, Bankautomaten, Shampoos und Lebensmittel. So gut wie alles wird von den Sponsoren gestellt, weshalb die sich dann eben lieber Partner nennen. Dabei ist alles exklusiv. Jeder Autoreifen an Olympiaautos kommt aus Japan, jede offizielle Uhr aus der Schweiz, und für die Erfrischung sind die Amerikaner zuständig. Jeong Inkyo sagt, dass fast 500 Mitarbeiter von Coca Cola in den Olympiawochen Getränke verkaufen. Eigene Flaschen mitzubringen ist Besuchern untersagt - aus Sicherheitsgründen. Da rollt der Won.

Lee Ryu Jeong steht mittlerweile in der nächsten Warteschlange, denn nebenan gibt es Pins. Auch für den offiziellen Handel mit beliebten Olympia-Ansteckern hat sich Coca Cola die Lizenz gesichert. Seine Pins verteilt der Brausehersteller aber nur an jene Wartenden, die per Handy nachweisen können, dass sie gerade ein Bild des großen Automaten in einem sozialen Netzwerk gepostet haben. So wie Lee es gerade getan hat.

Derlei Tricks kennen auch andere Sponsoren. Wer sich bei Alibaba registriert, bekommt am Ausgang personalisierte Kaufvorschläge für Merchandise-Produkte. Und nur wer den brav den Hashtag samsung twittert, erhält beim Technikriesen aus Korea eine Tragetasche geschenkt.

Immerhin gibts bei Koreas Elektronikweltkonzern einiges zu entdecken. In Samsungs Pavillon darf jeder rein: zum Malen auf Handys, Kino gucken oder Roboter steuern. Die größten Schlangen bilden sich an den Virtual-Reality-Stationen. Mit den VR-Brillen und sich bewegenden Sitzen oder speziellen Ständen fahren Besucher hier Ski, Snowboard oder Skeleton. »Wir wollen, dass die Menschen mal die olympischen Sportarten ausprobieren«, sagt eine Sprecherin. Dass gut eine halbe Autostunde entfernt ein echter Berg mit echtem Schnee auf echte Skifahrer wartet, sagt sie nicht. Die neue Realität ist virtuell.

»Die VR-Stationen fand ich am besten«, sagt Herr Kim, der gerade eine Stunde mit Frau, Sohn und Tochter in dem Pavillon verbracht hat. Sie wollen noch den ganzen Tag im Olympiapark von einem Haus zum anderen ziehen, von einer Warteschlange zur nächsten. 2000 Won pro Nase, etwa 1,50 Euro, kostet der Eintritt in den Park, der täglich von 7.30 Uhr bis kurz nach Mitternacht geöffnet ist. Tickets für olympische Wettbewerbe haben die Kims nicht gekauft, obwohl noch welche zu haben waren. Mindestens 10 000 Menschen kommen täglich her, ohne sich einen Wettkampf anzusehen. Zum Neujahrsfest waren es sogar 26 000. Und jeden Tag kommen die gut 50.000 Ticketbesitzer noch dazu. Herr Kim hat sich angeschaut, wie er mit seinem Handy künftig seine Haushaltsgeräte steuern kann. »So was werde ich mir bald kaufen«, sagt der Mittvierziger. Ein Kunde mehr für den TOP-Sponsor.

Ob sich das Investment bei Olympia wirklich rechnet? Dazu will Samsung keine Auskunft geben. Die Bosse müssen aber einen Nutzen erkennen, denn der Smartphone-Weltmarktführer ist seit 20 Jahren Partner des IOC, das Organisationskomitee von Pyeongchang wurde bei den Heimspielen noch zusätzlich unterstützt. In jedem Zimmer der Medien- und Athletendörfer stehen einFernseher und eine Mikrowelle der Firma. Allen Athleten wurde zudem das neueste Handymodell geschenkt. Die offizielle App der Winterspiele stammt auch von Samsung. So was machen Partner, sie helfen, wo sie können.

»Olympia ist die größte Werbeplattform der Welt«, sagt Liyan Chen, Sprecherin von Alibaba. Der chinesische Internethändler ist erst seit einem Jahr TOP-Sponsor, also noch in der Lernphase. Das IOC werde von Alibaba spätestens 2022 in Peking mit Handelsplattformen für Merchandising-Produkte und weiteren Apps unterstützt, verspricht Chen. Das Ziel von Alibaba ist klar: neue Kunden generieren. Bislang nutzen 500 Millionen Menschen, meist Chinesen, die Dienste des Mischkonzerns. »Wir wollen irgendwann zwei Milliarden, und es gibt keine bessere Plattform als Olympia, um seine Marke weltweit bekannt zu machen «, so Chen.

Die größte Warteschlange im gesamten Park bildet sich vor dem olympischen Einkaufszentrum, das nicht ohne Grund »Super Store« heißt. Hier gibt es vom Maskottchen-Kuscheltier für umgerechnet 20 Euro über Kerzen, Regenschirme, Nagelscheren oder Bettdecken bis hin zur Winterjacke für 200 Euro alles. Hauptsache, es stammt von einem Sponsoren und es steht »Pyeongchang 2018« drauf. Selbst recht edel aussehende hölzerne Essstäbchen werden damit noch verschandelt.

Paola und James Cox haben sich vor allem mit Babykleidung eingedeckt. Sie kamen geradewegs aus der Curling-Halle, als sie sich mit Söhnchen Ethan im Tragetuch eine halbe Stunde in die Eingangsschlange und drinnen noch mal 20 Minuten an der Kasse anstellten. »Für uns war das sehr bedeutend«, sagt Paola, dessen Mann die letzten zwei Jahre in Südkorea gearbeitet hat, während sie schwanger war und sich nach der Geburt um Ethan kümmerte. »Der Kleine ist hier auf die Welt gekommen. Daran wollen wir uns ewig erinnern. Und Olympia ist nun mal der große Schlusspunkt unserer Reise«, sagt Paola. In drei Tagen fliegt die Familie zurück in die USA. Olympia-Babymütze, -Strampler und -Winterjäckchen stecken nun im kostenlosen Einkaufsbeutel. Der trägt die Aufschrift »VISA«. Nur mit dieser Kreditkarte durften sie Ethans neue Sachen bezahlen. Ist schließlich ein TOP-Sponsor des IOC.

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