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Die mit Wirtschaft was am Hut hat
Die Ökonomin Christa Luft wird 80 - ihr Leben bleibt der linken Ökonomie gewidmet
Vor recht genau 28 Jahren trafen sich in Bonn die Regierungen von BRD und DDR. Für letztere war Christa Luft dabei, damals seit ein paar Wochen als Wirtschaftsministerin im Amt. Bevor die große Runde zusammentrat, gab es Vorgespräche im kleinen Kreis - und Luft hatte mit dem damaligen Finanzstaatssekretär Horst Köhler das Vergnügen.
Ob sie jetzt nicht drei Meter hoch in die Luft springe, fragte der Mann aus dem Westen. Immerhin werde Helmut Kohl der DDR-Seite gleich die baldige Einführung der D-Mark anbieten. Die Leute würden die Währung wohl ob ihrer Kaufkraft schätzen, antwortete die Ökonomin aus dem Osten. Um sogleich vor den Folgen zu warnen: »Dann werden wir alsbald überschwemmt von Waren aus den alten Bundesländern, dann werden unsere Waren, bei uns produzierte, rausgehen aus den Regalen, und wir werden die Ostmärkte verlieren.« Der spätere Bundespräsident nannte sie dafür damals arrogant.
Die Anekdote bringt die Wendezeit aber ganz gut auf den Punkt. Wer aus ökonomischen Gründen skeptisch war, galt als Spielverderber. Und nicht jene wurden als die Arroganten angesehen, die es damals tatsächlich waren.
Christa Luft hat in der Frage, was die Konsequenzen einer übereilten Währungsreform sind, recht behalten. Dass sie Ende 1989, Anfang 1990 als Ministerin unter Hans Modrow amtieren durfte, hatte wiederum etwas damit zu tun, dass sie gegenüber der Rechthaberei der DDR-Oberen kritisch war. Als sie 1988 Rektorin der Hochschule für Ökonomie wurde, bekundete sie den Wunsch, dass das »große Potenzial, das wir im Lehrkörper und unter den Studenten haben, nicht dazu da ist, immer im Nachhinein bejubeln zu müssen, wie weise die Parteiführung wieder Beschlüsse gefasst hat«. Für manchen im Apparat galt sie damit schon als »Revisionistin«.
Geboren 1938 im mecklenburgischen Krakow am See hatte Christa Luft eigentlich eine Karriere als Veterinärmedizinerin im Sinn. Es wurde dann die Ökonomie. Man darf sagen: zum Glück. Denn linke Ökonomen gibt es bis heute nicht gerade im Überfluss. Dass gern behauptet wird, »die Linken haben mit Wirtschaft nichts am Hut«, dazu habe man selbst »auch viel Anlass gegeben«, meint Luft.
Man kann das als Aufruf verstehen: zur ökonomischen Bildung, zu einem wirtschaftskritischen Blick, der über bloße Sozialpolitik hinausgeht. »Wirtschaft ist ein Hauptbereich der Gesellschaft«, sagt Luft. »Vor allem dort findet Wertschöpfung statt, und das bedarf der konstruktiven Aufmerksamkeit.«
Ihre Aufmerksamkeit widmete sie spätestens seit 1956 der Ökonomie, damals startete sie ein Studium an der Hochschule für Außenhandel. Promotion, Habilitation, Professur, Vizedirektorin des Internationalen Instituts für ökonomische Probleme des sozialistischen Weltsystems - alle Stationen aufzuzählen ist hier gar nicht Platz genug. Sie wurde nach der Wende Bundestagsabgeordnete der PDS, Fraktionsvorsitzende, engagierte sich in der Rosa-Luxemburg-Stiftung - und schrieb über Jahre wirtschaftspolitische Kolumnen für diese Zeitung.
Mancher Kommentar von Luft klingt heute noch sehr aktuell. »Wenn die Warnung des SPD-Chefs vor den Auswüchsen des Kapitalismus glaubwürdig sein soll«, schrieb sie einmal, dann müsse diese Partei auch die Agenda-Politik beenden. Luft sprach von der »Reißleine«, und wer die Debatten um die aktuelle SPD-Krise verfolgt, weiß, wie sehr nicht wenige Sozialdemokraten immer noch hoffen, es würde endlich einmal jemand daran ziehen.
Dass sich die Welt aber auch nicht einfach nur mit »mehr Sozialpolitik« zum Besseren wenden lässt, hat Christa Luft ebenso hartnäckig betont. Schon auf dem Sonderparteitag der SED im Dezember 1989 mahnte sie ihre Genossen zu Realismus: »In der Wirtschaft muss immer alles machbar sein und machbar bleiben.« Das war kein Appell zur Anpassung, sondern der Versuch, klarzumachen, dass zwischen mittel- und kurzfristigen Perspektiven eine Verbindung bestehen muss, die auch ökonomisch tragfähig ist. An diesem Donnerstag wird Christa Luft 80 Jahre alt.
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