Teilerfolg gegen Racial Profiling

Gerichtsentscheidung könnte helfen, rassistische Praxis weiter zurückzudrängen

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Bundespolizei hat bei der Kontrolle eines Deutschen mit dunkler Hautfarbe gegen Europarecht verstoßen und muss klar regeln, wann und wie »verdachtsunabhängige Kontrollen« ablaufen können. Das zeigt ein nun veröffentlichtes Urteil des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Das Urteil sei ein »weiterer bedeutender Schritt, um diskriminierenden Kontrollen die rechtlichen Grundlagen zu entziehen«, erklärte der Rechtsanwalt Sven Adam. Zusammen mit dem »Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung« (BUG) vertritt er mutmaßliche Opfer von Racial Profiling, Menschen, die von der Polizei nur oder hauptsächlich aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert werden.

Verdächtig geschlossene Augen am späten Abend?

Das Urteil bezieht sich auf einen dunkelhäutigen Deutschen, der sich Ende November 2013 auf einer Geschäftsreise von Berlin nach Freiburg befand. Zwischen Baden-Baden und Offenburg wurde der in Kabul geborene Mann in der ersten Klasse von Beamten der Bundespolizei kontrolliert, vermeintlich verdachtsunabhängig. Doch – soweit er es sehen konnte – war er an jenem Abend der einzige der sechs Fahrgäste im Abteil, der kontrolliert wurde.

Gegen 22:30 Uhr abends trug er Kopfhörer, saß mit geschlossenen Augen im Abteil. Das erschien zumindest den Bundespolizisten verdächtig. Sie behaupten er habe sich schlafend gestellt, um sich einer möglichen Kontrolle zu entziehen. Bei dieser empörte sich der Mann über die »rechtswidrige« Kontrolle und verlangte die Dienstnummern der Beamten. Anschließend klagte er vor dem zuständigen Amtsgericht Stuttgart wegen Diskriminierung.

Es folgte ein jahrelanges juristisches Tauziehen um Polizeivorschriften und Behördengeheimniskrämerei. Denn das Gericht in Stuttgart entschied, die Kontrolle sei europarechtswidrig – sie habe gegen die Menschenrechte und die Grundrechte des Klägers verstoßen. Die Bundespolizei ging in Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim.

Tauziehen um Polizeivorschriften

Es geht um Paragraf 23 des Bundespolizeigesetzes. Dieser regelt die Zuständigkeiten und Befugnisse der Bundespolizei, auch wie und weswegen Menschen etwa auf Bahnsteigen oder Zügen kontrolliert werden dürfen. In Absatz 3 heißt es, die Bundespolizisten könnten im »Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von dreißig Kilometern« zur Verhinderung von unerlaubten Einreisen aktiv werden und zur »Verhütung von Straftaten«.

Diese Arbeitsgrundlage der Bundespolizei sei zu unkonkret, monierten in einem ähnlichen Fall auch die Richter eines EU-Gerichts. 2014 leitete die EU-Kommission deswegen sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Unter dem Druck der Gerichte legte die Bundespolizei dann zumindest Teile einer bis dahin geheim gehaltenen Verwaltungsvorschrift mit dem Namen »BRAS 120« vor, die angeblich genauer festlegen sollte, wann kontrolliert werden kann und darf.

Kontrollen in Zügen als »Ersatzgrenzkontrollen« seien nicht zulässig, weil im Schengenraum jede Person ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit Binnengrenzen wie etwa die zwischen Frankreich und Deutschland übertreten dürfe, heißt es in der Vorschrift. Nur bei »hinreichenden Anhaltspunkten« für Schleusertätigkeit seien Kontrollen möglich. Bei Straftaten müsse ein »konkreter Gefahrenverdacht« vorliegen. Doch das Bundesinnenministerium verweigert seit Jahren die vollständige Veröffentlichung von »BRAS 120«.

Doch auch diese vermeintliche Konkretisierung sei nicht ausreichend, urteilte nun der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Die Begründung für die millionenfachen alltäglichen Kontrollen durch die Bundespolizei zwischen 2006 und 2016 seien zu unkonkret, eine massenhafte Schleierfahndung könne sich nicht auf weitestgehend geheim gehaltene Vorschriften stützen, erklärt Rechtsanwalt Adam das Urteil. Ob die drei Polizisten gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen haben, ließ das Gericht übrigens offen.

Auswirkungen auf aktuelle Kontrollen?

Trotzdem freut sich Alexander Tischbirek vom BUG über das Urteil. Eine nun notwendige präzise Definition der Voraussetzungen von weiteren Kontrollen beuge Racial Profiling und institutionellem Rassismus bei der Polizei vor. Denn seit dem 07. März 2016 gilt eine neue Verordnung für die Bundespolizei, die das Bundesinnenministerium erließ, um das Vertragsverletzungsverfahren zu stoppen.

Doch mit dem jetzigen Urteil sei klar: Auch die neuen – immerhin öffentlich einsehbaren –Vorschriften seien vermutlich nicht haltbar, denn sie enthielten nur »Allgemeinplätze« und keinen genauen »Guide für Polizisten, wie Kontrollen durchgeführt werden müssen«, so Adam gegenüber »nd«. Doch das werden weitere Verfahren klären müssen, die der Anwalt bereits mit Betroffenen vorbereitet. Man äußere sich grundsätzlich nicht kurzfristig zu Gerichtsurteilen, sagte dagegen eine Bundespolizeisprecherin.

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