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Babiš bekommt zweite Chance

Tschechiens Sozialdemokraten sprechen sich für Fortsetzung der Koalition aus

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.

Mitte der Woche trat der zurückgetretene tschechische Premier, ANO-Chef Andrej Babiš, vor die Öffentlichkeit und verkündete, dass nun einer möglichen Regierungsneubildung nichts mehr im Wege stehe. Die Sozialdemokratie hätte als erste Partei ihr Interesse bekundet, mit Verantwortung für das Land zu übernehmen.

Der Weg hierzu war frei geworden, als der Kongress der Česká strana sociálně demokratická (ČSSD) am vergangenen Sonntag einen neuen Vorsitzenden der Partei gewählt hatte. Von den 530 Delegierten des Parteitages hatten sich im zweiten Wahlgang 272 für den früheren Parlamentspräsidenten ausgesprochen. Jan Hamáček gilt wie sein Stellvertreter Jiří Zimola als dem Staatspräsidenten Miloš Zeman nahestehend. Eine Konstellation, die durchaus das Aufstellen einer zweiten Regierung Babiš zugute kommen könnte: Zeman hatte sich mehrfach für den ANO-Chef als Ministerpräsident stark gemacht, nicht zuletzt als Dank dafür, dass sich die »unzufriedenen Bürger« für seine Wiederwahl als Staatsoberhaupt eingesetzt hatten.

Der neue Sozialdemokratenchef Hamáček wiederum erklärte, er könne sich eine Neuauflage der bisherigen Regierungskoalition vorstellen, wenngleich diesmal mit ANO als Seniorpartner. Um dies zu realisieren, müssten beide Parteien mit den Christdemokraten in Verhandlungen treten. Die »Lidovci« sind mit zehn Abgeordneten im tschechischen Unterhaus vertreten. Gemeinsam mit ANO und den Sozialdemokraten käme eine Koalition dann auf 103 der 200 Mandate, eine knappe Mehrheit, die jedoch regierungsfähig wäre. Welches der Preis für das Bündnis wäre, ist bislang in Prag noch nicht besprochen worden. Hamáček erklärte, in den Gesprächen mit den ANO-Vertretern habe man allenfalls über Sachthemen, jedoch nicht über Ministerposten oder Ressortverteilungen geredet.

Einig war man sich zumindest in der Frage, dass man eine Tolerierung oder gar Unterstützung der rechtsgerichteten Partei »Freiheit und Direkte Demokratie« (SPD) ausschließt. Bereits in der vergangenen Woche hatten drei Minister der zurückgetretenen ANO-Regierung erklärt, im Falle einer Zusammenarbeit mit der Partei Tomio Okamuras’ nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

Auch der Parteitag der Sozialdemokraten hatte eine irgendwie geartete Zusammenarbeit mit den Rechten untersagt.

Sollten die Christdemokraten für eine Neuauflage der bisher bestehenden Koalition nicht zur Verfügung stehen, könnten sich Babiš und Hamáček auch eine Regierung unter Duldung der Kommunisten vorstellen. Die KSČM ist - wie die Sozialdemokraten - ebenfalls mit 15 Mandatsträgern im Abgeordnetenhaus vertreten. Unterstützte die Partei eine nun beabsichtigte Koalition, könnte die Regierungskrise in Prag zumindest für den Moment beendet werden.

Ob und wie lange jedoch Andrej Babiš an der Spitze eines Kabinetts an der Moldau stehen könnte, hängt auch noch von den schwebenden Rechtsverfahren gegen den Agro-Milliardär ab. Die Justiz untersucht noch die Fälle von Steuerbetrug und Subventionsschwindel im Zusammenhang mit dem Unternehmen Agrofert.

In der benachbarten Slowakei hat ein Gericht die Klage Babiš’ abgewiesen, nach der der dortigen Aufarbeitungsbehörde die Veröffentlichung von Geheimdienstunterlagen untersagt werden sollte. Die Dokumente könnten Hinweise liefern, dass der ANO-Chef früher als informeller Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes StB tätig gewesen war.

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