Der traurigste Olympiasieger

Es sollte ein goldener Abend für Südkoreas Shorttracker werden. Doch alle drei Rennen endeten mit einer großen Enttäuschung

Es kommt schon mal vor, dass Sportler nach dem Gewinn einer olympischen Silber- oder Bronzemedaille enttäuscht sind, vielleicht sogar eine Träne verdrücken. Der Plan war Gold, alles andere zählt dann nicht. Auch wenn es also schon einige Vorgänger von Lim Hyojun in der Geschichte Olympias gibt, der Südkoreaner könnte als unglücklichster Bronzemedaillengewinner in die Geschichte eingehen. Sein dritter Platz über 500 Meter hatte den Shorttracker schon nicht besonders glücklich gemacht. Mehr als 10 000 seiner Landsleute hatten schließlich auf mehr gehofft. Trotzdem spendeten sie ihm danach Beifall. Bevor Lim aber aufs Treppchen steigen konnte, stand noch die Staffel an. Und dort kam es dann noch viel schlimmer.

Koreas Sportfans hatten sich beim Blick aufs Olympiaprogramm diesen Donnerstag markiert. Gleich drei Entscheidungen fielen an diesem letzten Tag der Shorttrack-Wettbewerbe in der Gangneung Ice Arena. In allen drei hofften sie auf Gold für Südkorea, der seit gut 20 Jahren bestimmenden Nation in dieser Sportart. Doch aus dem goldenen Abend sollte bald eine Nacht der Enttäuschungen werden.

Zuerst spielte Chinas Sprinter Wu Dajing über die 500 Meter nicht mit und verwies die Einheimischen Hwang Daeheon und eben jenen Lim Hyojun auf die restlichen Medaillenplätze. Dass der Chinese dafür Weltrekord hatte laufen müssen, war kein Trost für die beiden Koreaner. Dass auch sie unter dem alten Weltrekord geblieben waren, ebenso wenig. Sie waren nicht nur von sich selbst enttäuscht, sondern vor allem anderen beschämt, die Hoffnungen so vieler angeblich enttäuscht zu haben.

Die nächste Chance bot sich den unglaublich lauten Anhängern in Gangneung dann über die 1000 Meter der Frauen. Doch Choi Minjeong, die hier schon zwei Mal Gold gewonnen hatte, und ihre Landsfrau Shim Sukhee brachten sich in der letzten Runde gegenseitig zu Fall. Gold ging folglich an die Niederländerin Suzanne Schulting vor Kim Boutin aus Kanada und der Italienerin Arianna Fontana.

Zum Glück, dachten die einheimischen Anhänger und Journalisten, stand ja noch die Männerstaffel an. »Die meiste Trainingszeit haben wir in dieses Rennen investiert«, hatte Kim Dokyoum nach dem Halbfinale gesagt, das die Koreaner in neuer olympischer Rekordzeit gewonnen hatten. Schließlich waren sie letztmals vor 2006 über diese 5000 Meter erfolgreich gewesen.

Doch in Runde 22 kam der Schock. Lim Hyojun, der Mann, der gerade Bronze geholt hatte, wagte ein riskantes Manöver. Mit großem Geschwindigkeitsüberschuss setzte er sich am Kurveneingang an die Spitze, konnte dann die Fliehkräfte aber nicht halten. Er stürzte. Die späteren Überraschungssieger aus Ungarn sowie China und Kanada enteilten. Sie sollten die Gastgeber sogar noch überrunden. Was für eine Schmach. »Es tut mir so leid, dass wir die Erwartungen der Menschen nicht erfüllen konnten«, sagte Kim Dokyoum später.

Lim Hyojun brachte gar kein Wort heraus und stürmte stumm an den etwa 50 wartenden koreanischen Journalisten vorbei. Kollege Kim hatte noch auf dem Eis versucht, ihn wieder aufzurichten: »Es gibt keine Worte, die ihn derzeit trösten könnten, darum habe ich ihn einfach nur umarmt.« Genutzt hatte es erst einmal nicht viel.

Die Staffelkameraden von Lim gelobten sofort Besserung. »Ich werde weitermachen bis Peking 2022. Jetzt habe ich einen Grund und eine Herausforderung«, meinte Kim, und Kwak Yoongy ergänzte, dass er sich an »diese Emotionen, die ich gerade spüre, bis zur nächsten Gelegenheit in vier Jahren erinnern« werde. »Sie werden meine Motivation fürs Training sein.«

Lim Hyojun ist mit gerade einmal 21 Jahren sogar noch der Jüngste des Quartetts - und dazu der erfolgreichste bei diesen Spielen. Er hatte am ersten Entscheidungstag über 1500 Meter gleich die erste Goldmedaille für sein Land geholt und war dafür lange gefeiert worden. Nun wünschte man ihm nur noch, dass er sich möglichst schnell an diese Augenblicke erinnern möge.

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