Wahlkampf auf der Straße
In Italien heizt sich die Stimmung vor dem Urnengang nächste Woche weiter auf
In einer Woche haben die Italiener über ihr neues Parlament entschieden und vielleicht auch darüber, wer in den kommenden Jahren die Regierungsgeschäfte in Rom führen soll. Bislang ist sich das Volk darüber noch uneins, nach den letzten Umfragen könnte zwar das Mitte-Rechts-Lager vorn liegen, müsste dazu aber geschlossen auftreten. Doch die beiden Hauptdarsteller Silvio Berlusconi (Forza Italia) und Matteo Salvini (Lega) sind sich über Weg und Ziele noch nicht einig. Ein jeder von ihnen möchte gern die Spitzenposition behaupten, fraglich bleibt, mit wem?
In dieser Situation hat sich das politische Pulver wieder einmal an der Flüchtlings- und Fremdenfrage entzündet. Am 3. Februar hatte ein Neonazi in Macerata auf dunkelhäutige Migranten geschossen und mindestens acht Menschen verletzt. Spontan erhob sich die militante Linke, um gegen ein Erstarken des Neofaschismus zu protestieren. Dies wiederum rief die extreme Rechte auf den Plan, und so ist seit gut zwei Wochen die Faschismusdiskussion in Italien voll entbrannt. Am Wochenende haben linke Parteien, Gewerkschaften sowie der nationale Partisanenverband zu Demonstrationen gegen jede Form von Faschismus und gegen die Verherrlichung auch nur von Teilen des Mussolini-Regimes aufgerufen. In Turin, Mailand, Bologna und Rom gingen die Menschen auf die Straße.
Zur großen Demonstration in der Hauptstadt trafen sich die eigentlich voneinander getrennten Gruppen der Linken. Demokratenchef Matteo Renzi umarmte demonstrativ den amtierenden Premier (und wahrscheinlichen Spitzenkandidaten) Paolo Gentiloni. Doch auch die abgespaltenen »Freien und Gleichen« (LeU) um Senatspräsidenten Pietro Grasso und Parlamentschefin Laura Boldrini waren auf dem Platz und stimmten in das Partisanenlied »Bella ciao« ein. Unter den Teilnehmern fand sich auch die Gewerkschaftschefin der linksorientierten CGIL, Susanna Camusso, sowie der Chef der UIL, Carmelo Barbagallo, ferner die Pd-Politiker Nicola Zimgaretti (Spitzenkandidat für Lazio) und Andrea Orlando, die LeU-Vertreter Pier Luigi Bersani und Roberto Speranza. Sollte dies ein Signal sein, dass man zu den Wahlen doch Gemeinsamkeiten finden könnte, konnte ein besseres Datum nicht gefunden werden.
In Mailand riefen unterdessen die Lega und Matteo Salvini auf die Plätze. Man habe mit Faschisten nichts gemein, betonte Salvini, tolerierte jedoch, dass auch Radikale der neofaschistischen Bewegung CasaPound in schwarzer Kleidung mit Flaggen aufmarschierten, die denen Nazideutschlands ähneln und von vielen rechten Bewegungen Europas genutzt werden. Eine linke Gegendemonstration wollte ein Auftreten von CasaPound verhindern. Es kam zu Zusammenstößen beider Gruppierungen sowie mit den Sicherheitskräften. Gewaltsame Auseinandersetzungen waren auch in Palermo zu verzeichnen, wo linke Autonome auf Kräfte der Forza Nuova, einer neofaschistischen Bewegung, trafen.
Es bleibt abzuwarten, ob sich die Auseinandersetzungen, wie sie sich nun bereits seit mehr als zehn Tagen in verschiedensten Städten des Landes abspielen, bis zum Wahltag anhalten werden. Die Frage, wie steht die Politik zum Neofaschismus und zum Wiederaufleben alter, längst überwunden geglaubter Ideen, könnte auch eine entscheidende beim Ausgang des Votums am 4. März werden. Kommentar Seite 4
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