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Mit Herz

Achim Bergmann, der Leiter des ältesten unabhängigen linken Musikverlags Deutschlands, ist im Alter von 74 Jahren gestorben

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Herbst 2017 waren mehrere Würdigungen zum 50. Geburtstag des traditionsreichen unabhängigen linken Verlags Trikont (»Unsere Stimme«) zu lesen. Sogar ein dicker, illustrierter Ziegelstein von Buch war erschienen (»Die Trikont-Story. Musik, Krawall & andere schöne Künste«), der sich als eine Art Chronologie und Werkschau des ältesten unabhängigen deutschen Musiklabels und Buchverlags verstanden wissen wollte. Eine Person war in dem Buch immer wieder abgebildet: der »bayerische Anarchist« Achim Bergmann, der gemeinsam mit seiner Freundin Eva Mair-Holmes jahrzehntelang die Geschicke des Verlags bestimmte.

Wie viele andere wurde auch der 1943 im Sauerland Geborene, der zum Studieren nach München kam, durch die Schüsse auf Benno Ohnesorg politisiert, wie er einmal der »taz« mitteilte: »Beim Sturm auf die Zentrale der Münchner ›Bild‹-Zeitung war die Hölle los. Ich wurde zusammen mit 400 anderen verhaftet. Danach bin ich mit meiner Freundin nach Paris gefahren, wir waren kinoversessen.« Bergmann verkörperte einen Typus des Linken, wie man ihn in jener Zeit nicht gerade zuhauf fand: einer, der die unversöhnliche Kritik an der restaurativen, postfaschistischen bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft mit einer erstaunlichen Leidenschaft für Film, Musik und Literaturformen verband, für die sich der bundesdeutsche Literaturbetrieb nicht interessierte (Underground-Literatur, Comics), ein Undogmatischer, einer, der im Gegensatz zu vielen anderen mit einem innigen Interesse für die Kultur der sogenannten Außenseiter und mit Humor gesegnet war. Beim Verlag Trikont, zu dem Bergmann Ende der 60er Jahre stieß und dessen Herz er war, erschien etwa Che Guevaras »Bolivianisches Tagebuch« oder die Mao-Bibel, man pflegte Kontakte zur linken Folkszene, vertrieb die Platten von Ton, Steine, Scherben und Pete Seeger. Das erste, 1972 veröffentlichte Musikalbum hieß »Arbeitersache, wir befreien uns selbst«. Bergmann: »Es gab viele Songwriter aus der linken Szene und viele Lieder, bei denen sich keiner traute, die zu machen oder zu veröffentlichen.« Bei Trikont traute man sich. Später widmete man sich eher abgelegenen Musiksorten wie bayerischem Reggae oder stöberte vergessen geglaubte Aufnahmen auf wie etwa die Musik türkischer Migranten, die als »Gastarbeiter« in die BRD kamen. »Wenn Musik nur ein Ton ist, der hergestellt wird wie ein Algorithmus, geht es zu Ende«, sagte Bergmann der »taz«.

Vergangenes Jahr wurde er auf der Frankfurter Buchmesse Opfer einer Gewalttat: Ein Zuhörer am Stand der extrem rechten Zeitung »Junge Freiheit« hatte den gegen rechtsextreme Propaganda protestierenden Verleger mit einem »professionellen Killerschlag« (Bergmann) ins Gesicht niedergestreckt. Zum Thema Heimat sagte Bergmann kurz darauf der »Jungle World« im Interview: »Ich liebe Bayern, so gesehen, aber ich habe in meiner ganzen Zeit hier noch kein einziges Mal gehört, dass jemand von Heimat gesprochen hat. Es geht um die eigene Umgebung, die Nachbarn, die Geschichten. Heimat aber ist eine Erfindung. Ein leerer Begriff, der umso lieber von Politikern verwendet wird.«

Am 1. März ist Achim Bergmann gestorben. Im Mai wäre er 75 Jahre alt geworden.

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