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LINKE Kollision statt Kompromiss
Wolfgang Storz über Anspruch und Wirklichkeit in der Linkspartei, im Bund regieren zu wollen und Positionen in Politik umzusetzen
Was ist der Partei Die LINKE im Jahr 2005 nicht alles prophezeit worden: bloße Scheinblüte, Spaltung, spätestens ohne die Politlokomotiven Gregor Gysi und Oskar Lafontaine der große Rutsch in die Bedeutungslosigkeit. Und nun? Der LINKEN geht es gut: Sie besteht noch, erreicht bei Umfragen und Wahlen im Bund etwa zehn Prozent, regiert mit in Thüringen, Brandenburg und Berlin, hat einen großen Generationenwechsel weitgehend unfallfrei absolviert.Was will diese Partei mehr?
Sie will einen tüchtigen Anteil aus der Konkursmasse der eben abstürzenden Sozialdemokratie - dass Mitglieder und WählerInnen von dort zu ihr strömen. Was spricht gegen diese Wunscherfüllung? Beispielsweise der Eindruck, dass die Linkspartei eine recht merkwürdige Partei ist. Im Bundestagswahlkampf legte sie sich fest: Wir wollen regieren. Und wählte eine herausragende Politikerin zur Spitzenkandidatin, die vieles will und kann, der jedoch eines nicht abgenommen wird: koalieren und regieren zu wollen; ein Eindruck, den sie sich über Jahre hinweg hart erarbeitet hat. Die Beteuerung von Regierungsbereitschaft kollidiert auch mit der Erkenntnis, dass die Partei sichtbar keinen Wert darauf legt, ihre (teilweise angesehenen) regierenden Politiker wenigstens auf die Bundesebene, wenn nicht in die erste Reihe zu heben. Aber vielleicht wehren sich die Herren Ramelow, Lederer und erfolgreiche Oberbürgermeister mit Händen und Füßen dagegen, was auch etwas aussagen würde.
Der Verdacht lässt sich nicht vertreiben, es handele sich doch um zwei Parteien, die lediglich der Name eint. Richtig ist: Gestritten wird überall. Richtig ist aber auch: Nach dem Streit machen die anderen wieder gemeinsam Politik; Andrea Nahles mit Sigmar Gabriel, Horst Seehofer mit Angela Merkel. Bei der Linkspartei reicht es dagegen nicht einmal zur Inszenierung von Einheit. Wichtige PolitikerInnen treten gemeinsam nicht auf. Der Streit hat nicht den Kompromiss im Schlepptau, sondern Sieg oder Niederlage.
Anschaulich zeigt dies die jüngste Merkwürdigkeit: die unerbittliche Debatte um die Sammlungsbewegung. Was haben Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine im Sinn? Die LINKE ruft zur Sammlungsbewegung auf und besteht weiter? Was machen dann Partei und Bewegung miteinander? Oder ersetzt die Sammlungsbewegung die Partei? Kam Sarah Wagenknecht auf diese Idee, weil sie ein bisschen beleidigt ist? Sie ging von der These aus, volle Hallen, Marktplätze und Lesungen verheißen volle Wahlurnen. Für das maue Ergebnis, mit ihr an der Spitze, konnte also nicht sie, sondern nur die Partei verantwortlich sein. Dann ist diese Idee schlüssig: Sie wirft mit der Sammlungsbewegung diesen ganzen Parteischmonzes (Gremien, Beschlüsse etc.) über Bord, wie graue Sandsäcke beim Heißluftballonstart, um befreit von Gegenreden zu noch mehr Zustimmung aufzuschweben; die Ko-Vorsitzende der Bundestagsfraktion ist hier mehr politische Unternehmerin in eigener Sache als alles andere.
Was könnte noch irritieren? Geht es um die Personen Maduro (Venezuela), Putin (Russland) und andere autoritäre Herrscher, kann niemand sicher sein, wie stark das Verständnis für sie ist und wie hoch die Partei das Prinzip der Demokratie hält. Und warum hat die LINKE, die doch regieren will, noch keine Einwanderungspolitik entwickelt, aber schon einmal das Prinzip der offenen Grenzen beschlossen? Warum vernachlässigt sie seit vielen Jahren die Sphäre der Produktion - Digitalisierung, Roboterisierung - und begrenzt sich auf die der reinen Verteilung? Bei diesen Themen handelt es sich nicht um vernachlässigbare programmatische Laubsägearbeiten. Sie sind für ein Publikum, das interessiert, aber noch nicht überzeugt auf die Linkspartei schaut, bedeutend - wende ich mich dieser Partei zu oder nicht? So geht es der Linkspartei doch recht gut: trotz alldem ist sie stabil bei um die zehn Prozent.
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