Die Zeit läuft langsamer im Winter

Die Paralympics auf Schnee und Eis sind in Sachen Startklassen schon weiter als die im Sommer, doch es fehlt an neuen Sportarten für die Athleten

Die Paralympischen Spiele boomen. Diese Erzählung begleitet den Behindertensport seit Jahren, und auch die Winterspiele in Pyeongchang beeindrucken mit steigenden Zahlen an Athleten, teilnehmenden Nationen und Wettbewerben. Ein genauerer Blick darauf offenbart jedoch, dass die Lücke zu Olympia immer noch groß ist. Im Vergleich zu den Sommerspielen ist man im Winter sogar noch weiter hinterher.

570 Athletinnen und Athleten aus 49 Ländern sollen in den kommenden Tagen in insgesamt 80 Wettbewerben um Medaillen kämpfen. Auch wenn diese Werte zum dritten Mal in Serie steigen, ist nur die Zahl der Nationen ein Rekord für Winter-Paralympics. Schon 1998 in Nagano waren 571 Sportler dabei, und sie durften viel mehr Medaillen untereinander verteilen als heute.

Was nach Rückschritt klingt, ist jedoch eigentlich eine positive Entwicklung, denn bis 2002 sorgte die Vielzahl an verschiedenen Startklassen für ein großes Durcheinander. Je nach Schwere der Behinderung gab es bis zu acht alpine Abfahrtsrennen nur für Männer. Mittlerweile sind es drei: stehend, sitzend und sehbehindert. Eine stärkere Behinderung wird durch eine langsamer laufende Rennzeit ausgeglichen oder beim Langlaufsprint durch einen Vorsprung. Trotzdem hat dies dazu geführt, dass weniger Sportler an den Paralympics teilnehmen, da nun viele weniger von ihnen eine Medaillenchance haben. Zum Vergleich: In Pyeongachang gehen 20 Deutsche an den Start, 1994 in Lillehammer waren es noch 43.

Immerhin kommen in Südkorea acht neue Snowboardwettbewerbe dazu. Vor vier Jahren waren es nur zwei, die unter dem Dach der alpinen Skiläufer ausgetragen wurden, jetzt sind sie getrennt. Mit Langlauf, Biathlon, Schlitteneishockey und Rollstuhlcurling sind es nun sechs Sportarten. Das sind aber immer noch erst 40 Prozent der olympischen Sportartenzahl im vergangenen Monat.

Im Sommer ist das Internationale Paralympische Komitee (IPC) schon weiter. 22 Sportarten standen 2016 in Rio 28 olympischen gegenüber. Dass sogar mehr Medaillen verteilt wurden, lag daran, dass Leichtathleten, Radsportler und Schwimmer noch in extrem vielen Startklassen unterwegs sind, anstatt auch mit Vorsprüngen zu arbeiten - nach Rio durften sich 16 Männer und 14 Frauen Paralympics-Sieger über 100 Meter in der Leichtathletik nennen!

Im Winter geht die Entwicklung neuer Sportarten für Behinderte noch viel zu langsam voran. So gibt es noch keine Bobfahrer, Eisschnellläufer, Rodler, Shorttracker, Skispringer, Eiskunstläufer, Ski-Freestyler oder Kombinierer bei den Paralympics. Nur bei wenigen Sportarten wie dem Skispringen dürften dabei Sicherheitsaspekte ausschlaggebend sein.

Meist fehlt es schlicht an der Förderung. Oder aber an Sportarten, die wie etwa Goalball im Sommer nur für behinderte Menschen entwickelt wurden. Para-Schlittenrennen (eine Art Eisschnelllauf auf Eishockeyschlitten) wurden nach 1998 aus dem Programm genommen, als fast nur noch die Gastgeber Medaillen gewannen.

Immerhin sollen 2022 Parabobs die Eisrinne von Peking hinunterrasen. Dafür hat das IPC dem Weltverband jedoch einige Auflagen erteilt. So sollten in diesem und im letzten Winter jeweils mindestens sechs Weltcuprennen gefahren werden - in dieser Saison waren es schon zehn. Dazu mussten aber Athleten aus zwölf verschiedene Nationen von drei Kontinenten teilnehmen. Nur gut, dass seit Anfang 2017 auch Jason Sauer mitmacht. Mit dem 45-jährigen Australier wurden auch diese beiden Kriterien gerade so erfüllt.

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