Spaniens Frauen streiken
Zum 8. März legten Demonstrationen und Aktionen einige Einrichtungen lahm
Am Internationalen Frauentag in Spanien sind die Erwartungen vieler Frauen weit übertroffen worden. Edurne Arruti etwa hatte nicht geglaubt, dass ihre große Bibliothek im baskischen Seebad Donostia-San Sebastian schließen würde. »Ich wollte den ganzen Tag streiken«, sagte sie. Schließlich habe die Belegschaft aber entschieden, stattdessen für vier Stunden ganz zu schließen. »Damit wurde der Streik sichtbarer, als wenn einige den ganzen Tag gestreikt hätten, aber die Bibliothek offen geblieben wäre«, erklärte die Baskin.
So streikte sie, wie die Mehrzahl der beteiligten Frauen und Männer in Spanien nur zwei oder vier Stunden. 4,7 Millionen Beschäftigte hätten sich dem Aufruf zu einem zweistündigen Streik angeschlossen, erklärten die beiden großen spanischen Gewerkschaften. Im Baskenland wurde meist für vier Stunden gestreikt. In der Bibliothek wurden kurz vor Mittag die Besucher zum Verlassen der Bibliothek aufgefordert, dann zogen die Beschäftigten zum Boulevard, um am Sitzstreik und der »Tupper-Party« teilzunehmen, dem großen Gemeinschaftsessen in der Altstadt. Speisen und Getränke mussten mitgebracht werden, am Protesttag galt auch ein »Konsumstreik«.
Auffällig waren die vielen jungen Gesichter. An Schulen und Universitäten war die Beteiligung besonders groß. Vom Markt kamen Marktfrauen zum Sitzstreik. Die meisten konnten sich einen Ausfall über den ganzen Tag nicht leisten: »Ich mache für vier Stunden dicht, um für unsere Rechte zu kämpfen«, sagte etwa Marktfrau Feli dem »nd«. Am Abend geht sie erneut auf die Straße, wo eine große Beteiligung bei allen Demonstrationen erwartet wird.
Der Protest wurde auch zur Kathedrale »Buen Pastor« getragen. Von dort hatte Bischof José Ignacio Munilla den Feministinnen am Vortag über Radio Maria erklärt, sie seien »vom Teufel besessen«. Auf der Webseite der Diözese hatten Anonymus-Teufelchen derweil einen Streikaufruf mit dem Titel veröffentlicht: »Gott unterstützt den Frauenstreik.« Auf der Straße riefen Frauen: »Munilla, Munilla, deabru zure bila!« (Munilla, der Teufel sucht dich!)
Das Land komplett lahmzulegen, um gegen Macho-Gewalt, Vergewaltigungen, Morde und Benachteiligung zu protestieren und für Gleichberechtigung einzutreten, wurde nicht erreicht. Damit hatten die Organisatorinnen aber auch nicht wirklich gerechnet. Die breite Mobilisierung über Parteigrenzen hinweg machte die Anliegen dennoch über den gesamten 8. März deutlich. Nach Umfragen sahen 82 Prozent der Spanier Gründe für den Streik, sogar 66 Prozent der Wähler der ultrakonservativen Volkspartei PP.
Schon im Frühprogramm fielen Radio- und Fernsehsendungen ebenso aus wie hunderte Züge auf den spanischen Eisenbahnstrecken. Mara Torres, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen streiken wollte, war von der RTVE-Leitung wie andere Frauen zum »Notdienst« verdonnert worden. Sie nutzte ihre Nachrichtensendung aber, um über den Streik zu berichten. Dieser Frauentag sei anders als alle zuvor, »da der bisherige Schwung aufgenommen wurde und es eine globale Mobilisierung ist«, sagte sie.
Schon in der Nacht hatte es Demonstrationen gegeben, am frühen Morgen sorgten in vielen Städten »Fahrradstreikposten« zum Teil für Verkehrschaos. In Katalonien, wo wie erwartet der Streik besonders stark ausfiel, wurden Einfallstraßen und Schienen blockiert. Zum Teil wurden Blockaden gewaltsam von der Polizei aufgelöst.
Am Mittag schloss sich in Barcelona auch die Bürgermeisterin den Streikenden und protestierenden Frauen und Männern auf dem Platz Sant Jaume an. »Es ist ein historischer Tag für uns Frauen«, erklärte Ada Colau, die an die vielen ermordeten Frauen erinnerte und von einer »strukturellen Gewalt« und »Ungleichbehandlung« sprach.
Sie bezog sich dabei auch auf eine gerade veröffentlichte Studie: Mit Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat wurde darauf verwiesen, dass in Europa Frauen durchschnittlich 16 Prozent weniger als Männer verdienen. Während Spanien mit Frankreich und Dänemark sogar leicht unter dem Durchschnitt liege, seien die Lohnunterschiede in Deutschland und Großbritannien mit 21 Prozent besonders groß.
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