Leuchtende Fünf Sterne

Die populistische Bewegung von Beppo Grillo hat in Italien einen kometenhaften Aufstieg erfahren

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.

Für die Bewegung Fünf Sterne gibt es viele Definitionen: Sie sei eine Protest- oder sogar eine Spaßpartei, heißt es auch im Ausland; sie sei populistisch, opportunistisch, eine Art politischer Wackelpudding ohne klare Konturen. Oder auch ein riesiger Behälter, in dem man alles ablegen kann, was in der Gesellschaft sonst keine Stimme hat oder was von allem und jedem enttäuscht ist.

Die Bewegung gibt es seit 2009, als sie zum ersten Mal mit dem Namen »Bürgerlisten mit Fünf Sternen« bei Kommunalwahlen antrat; sie ging aus der der Bewegung »Freunde von Beppe Grillo« hervor, die ihrerseits 2005 gegründet wurde. Die beiden wichtigsten Personen waren lange Zeit der Kabarettist Grillo und der IT-Unternehmer Gianroberto Casaleggio, der 2016 verstarb und dessen Position von seinem Sohn Davide eingenommen wurde. Grillo (fast 70 Jahre alt) war schon vorher ein bekannter Komiker, der sich darauf »spezialisiert« hatte, soziale Missstände aufzudecken und »undercover« in Wirtschaftskreisen zu ermitteln.

Immer mehr entwickelte er sich zu einer Art Volkstribun, sein Blog zog im Laufe der Jahre vor allem immer mehr junge Menschen an und wurde gleichzeitig auch zur finanziellen Goldgrube. Die Grundidee der Grillini, wie sie nach ihrem unangefochtenen Chef genannt werden, war die direkte Demokratie (durch das Internet), auch wenn sich die fünf Sterne im Namen ursprünglich auf die Bereiche Wasser, Umwelt, Transport, Entwicklung und Energie beziehen. Heute ist Beppe Grillo »nur« noch Garant der Bewegung, während »rechtlicher Vertreter« der jeweilige politische Chef ist, heute Luigi Di Maio (31), der als Spitzenkandidat der Bewegung bei den Wahlen antrat.

Ein einschneidendes Ereignis in der Geschichte der Bewegung ist der V-Day (2007): Das »V« steht für Vaffanculo, auf Deutsch: »Leck mich am Arsch«. Überall im Land gingen Menschen auf die Straße, um ihren Unmut gegenüber dem herrschenden System und den korrupten Parteien auszudrücken. In den darauffolgenden Jahren nahmen die Fünf Sterne an zahlreichen Kommunal- und Regionalwahlen teil, wobei sie im Süden meist nur etwa zwei Prozent der Stimmen erhielten, im Norden aber zwischen 8 und 17 Prozent. 2012 wurde 5-Sterne-Politiker Federico Pizzarotti zum Bürgermeister des mittelitalienischen Parma gewählt.

2013 nahm die Bewegung zum ersten Mal an Parlamentswahlen teil. Ihre Kandidaten stellten sich im Netz vor, und abgestimmt wurde von den Mitgliedern des Blogs (die letzte bekanntgegebene Zahl der Mitglieder ist 135 000), wobei Grillo es sich aber vorbehielt, Kandidaturen anzunehmen oder abzulehnen. Das Ergebnis der Parlamentswahl sprengte alle Prognosen: Die Grillini wurden zweitstärkste Partei mit 25,55 Prozent der Stimmen. Eine Koalition mit anderen Parteien (vor allem ein Angebot der Demokraten) lehnten sie kategorisch ab. Bei den Europawahlen 2014 erhielt die Bewegung 21 Prozent; nach langen Verhandlungen auch mit den Grünen und den Liberalen trat die Bewegung dann der Fraktion von Nigel Farage, Chef der britischen Euro-Skeptiker, bei. Der Erfolgsweg führte dann 2016 zum Sieg bei den Wahlen in Rom und Turin, wo jetzt die beiden Fünf-Sterne-Bürgermeisterinnen Virginia Raggi und Chiara Appendino regieren.

Der Rest ist Gegenwart. Heute sind die Grillini stärkste Partei in Italien, und auch die großen Schwierigkeiten der Bewegung, vor allem in Rom und Turin, konnten den Siegeszug nicht stoppen. Der letzte angestrebte Schritt - zur absoluten Mehrheit - blieb allerdings aus.

Wenn die Fünf Sterne wirklich regieren wollen, sind sie auf die Unterstützung anderer angewiesen. Bisher erklärte Di Maio, der seine hypothetische Ministerliste schon vor den Wahlen präsentierte, man werde mit allen sprechen.

Sieht man sich das offizielle Wahlprogramm an, ist es schwer und leicht zugleich, Gemeinsamkeiten mit anderen Parteien auszumachen, da die angeführten 20 Punkte zum großen Teil sehr schwammig und unkonkret sind. Die gesamte Außen- und Europapolitik fällt unter den Tisch, wobei man aber an sich nicht gegen die EU ist, sie aber sehr kritisiert.

Einige der Punkte decken sich eher mit dem Programm der Lega Nord, andere mit dem der Partito Democratico (PD), wobei die Basis der Grillini sich zweifellos eher links sieht, obwohl es in der Fünf-Sterne-Bewegung immer wieder heißt, man sei »weder rechts noch links«. Doch wenn es in den nächsten Wochen darum gehen wird, erst die Kammerpräsidenten zu wählen und dann eine tragfähige Regierung zu bilden, wird die Bewegung wohl Farbe bekennen und sich für einen möglichen Koalitionspartner entscheiden müssen - wenn es denn Angebote geben sollte.

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