Die GroKo verteilt ein bisschen um
Ökonomen heben ihre Wirtschaftsprognose an
Mit der Neuauflage der GroKo geht es wohl auch die nächsten zwei Jahre wirtschaftlich bergauf. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hebt aufgrund von Vorhaben, die im Koalitionsvertrag stehen, seine Prognose für dieses und kommendes Jahr an. Demnach wird die deutsche Wirtschaft 2018 vermutlich um 2,4 statt um 2,2 Prozent wachsen. 2019 sollen es 1,9 statt 1,6 Prozent sein. Besonders die Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen sowie Rentenerhöhungen sind den DIW-Forschern zufolge dafür verantwortlich.
»Die neue Regierung schickt den Aufschwung in die Verlängerung und setzt durch eine Reihe von Maßnahmen auf eine bereits sehr erfreuliche Konjunktur noch mal einige Zehntel-Prozentpunkte Wachstum drauf«, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher bei der Vorstellung der Prognose am Mittwoch in Berlin. Dies sieht er aber mit gemischten Gefühlen: So sollten ihm zufolge langfristige Investitionen in Bildung, Innovation, Digitalisierung und Europa »oberste Priorität« haben.
8,8 Milliarden Euro schwer sind die Maßnahmen, mit denen die Große Koalition 2019 die Konjunktur anschiebt. Darin enthalten sind 1,5 beziehungsweise 2,5 Milliarden Euro für zusätzliche öffentliche Investitionen beziehungsweise für zusätzliche öffentliche Konsumausgaben. Die Ausweitung der Mütterrente und die Einführung der Grundrente machen 2,87 Milliarden Euro aus, die Erhöhung des Kindergeldes, der soziale Wohnungsbau sowie weitere Sozialleistungen 2,3 Milliarden und die Absenkung des Beiträge für die Arbeitslosenversicherungen 3,6 Milliarden Euro.
Am meisten entlastet wird die arbeitende Bevölkerung durch die Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen mit 5,8 Milliarden Euro. Dafür müssen die Unternehmen wieder mehr Geld für die Gesundheitsvorsorge ihrer Beschäftigten zahlen, wenn die Versicherungsbeiträge wieder je zur Hälfte von Unternehmen und Beschäftigten entrichtet werden. Das DIW schätzt die daraus resultierende Steigerung der Lohnnebenkosten für Unternehmen auf 5,8 Milliarden Euro.
Man kann also im besten Denglisch sagen, dass die GroKo in ihrem Koalitionsvertrag eine Umverteilung »very light« (ganz leicht) fest geschrieben hat. Zwar wird ein wenig umverteilt, doch profitieren zum Beispiel von der Wiedereinführung der Parität Besserverdiener weitaus mehr als Normal- und Geringverdiener, weil sie mehr in die gesetzliche Krankenkasse einzahlen.
Forscherinnen und Forscher des DIW hatten vor der Bundestagswahl eine Absenkung der Mehrwertsteuer und die Abschaffung des Ehegattensplittings ins Gespräch gebracht. Ersteres würde Geringverdiener stärker entlasten als eine Senkung der Einkommenssteuer, weil sie ohnehin relativ wenig Abgaben auf ihren Lohn zahlen. Letzteres wäre auch eine Maßnahme gegen den viel beschworenen Fachkräftemangel, weil die Abschaffung des Splittings die eine oder andere Ehefrau ermutigen könnte, wieder mehr zu arbeiten.
Das Problem ist, dass es für Forderungen nach mehr Umverteilung mittlerweile mehr als nur Gegenwind gibt. Im Zuge der US-Steuerreform fordern hiesige Unternehmensverbände eine Absenkung der Unternehmenssteuern - mit dem Hinweis, dass die deutsche Wirtschaft bald nicht mehr wettbewerbsfähig sein könnte. DIW-Ökonom Fratzscher hält dieses Argument in Zeiten hoher Exportüberschüsse aber für »skurril«.
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