»Berlin sieht gut aus«

Die BR Volleys unterliegen Friedrichshafen auch in der Champions League, zeigen aber ansteigende Form

Nach der Auslosung für die Runde der besten zwölf Mannschaften Europas stieg bei den deutschen Volleyballfans die Vorfreude. Die Spielpläne von Champions League und Bundesliga wollten es so, dass plötzlich der deutsche Schmetter-Classico drei Mal in acht Tagen auf dem Programm stand: zwei Duelle in der Champions League zwischen dem Meister Berlin und Pokalsieger Friedrichshafen, dazwischen noch eins in der Bundesliga. Da lockte so etwas wie die vorgezogene Finalserie um die Meisterschaft. Doch obwohl das erste Spiel am Mittwochabend in Berlin schon viel vom Versprochenen hielt, wird das zweite am Sonntag viele enttäuschen, das ist jetzt schon abzusehen.

6307 Zuschauer waren in die Max-Schmeling-Halle gepilgert, Saisonrekord für die Berliner. Fünf spannende Sätze gab es zu bestaunen, mit dem besseren Ende für die Gäste aus Friedrichshafen, die durch den 3:2-Erfolg im Hinspiel nun gute Karten haben, in die nächste Runde einzuziehen. »So oft kommt man nicht unter die besten Sechs in Europa. Wir haben es die letzten Jahre nicht mal aus der Gruppenphase heraus geschafft, also wäre das schon etwas Besonderes. Wir wollen die Chance nutzen, aber Berlin ist eine der besten Mannschaften, gegen die wir in dieser Saison gespielt haben«, sagte Kapitän Simon Tischer hinterher. Im Rückspiel am kommenden Donnerstag muss sein Team noch einmal gewinnen. Siegen die Berliner mit 3:2 würde ein Entscheidungssatz ausgespielt. Gewinnen die BR Volleys noch deutlicher, sind sie weiter.

In der Liga ist hingegen schon alles klar. Die Friedrichshafener, die wettbewerbsübergreifend in Berlin den 32. Sieg in Serie feierten, stehen ungeschlagen an der Spitze und können in den letzten beiden Partien vor den Playoffs von dort auch nicht mehr verdrängt werden. Die Volleys haben sich am vergangenen Wochenende zudem Platz zwei gesichert, so dass aus dem Spitzenspiel am Sonntag am Bodensee plötzlich »ein Spiel ohne Wert« geworden ist, wie Friedrichshafens Trainer Vital Heynen zugeben musste. »Ich weiß auch nicht, wie ich unseren Sponsoren vermitteln soll, dass ich wohl nicht die sonst üblichen Spieler aufstellen werde.« Auch Berlins Trainer Stelian Moculescu ließ durchblicken, dass er eher eine B-Mannschaft spielen lassen wird.

Immerhin dürften Geldgeber und Fans vier Tage später entschädigt werden. Denn auch wenn die Saisonbilanz nach den Siegen in Supercup, Bundesliga und Champions League mit 3:0 recht eindeutig für den Pokalsieger spricht, zeigt der Meister nach dem Trainerwechsel im Februar ansteigende Form. »Berlin sieht gut aus jetzt. Die Mannschaft kämpft und spielt sehr guten Volleyball«, sagte Heynen. Und sein Kapitän ergänzte: »Das ist nicht mehr das Berlin ist, gegen das wir bisher gespielt haben. In den Gesichtern ist mehr Selbstvertrauen, sie machen weniger Fehler, und wir müssen hart um unsere Punkte kämpfen.« Für das Rückspiel prognostiziert Simon Tischer erneut einen Krimi: »Heute war ein bisschen Glück dabei. Man kann nicht sagen, dass wir besser waren. Das wird also auch ein hartes Rückspiel. Noch ist nichts entschieden.«

Für den Aufschwung der Berliner ist eindeutig der neue Trainer Moculescu verantwortlich. Seit dessen Verpflichtung verloren die Volleys nur zwei Partien: gegen die Weltstartruppe aus Kasan und nun gegen seinen alten langjährigen Arbeitgeber vom Bodensee. »Er hat das Team wieder in die Hand genommen. Er ist unser eindeutiger Leader geworden. Stelu sagt, wie was gemacht wird und wo es lang geht«, so Mittelblocker Georg Klein. Unter dem jungen Trainer Luke Reynolds war auf Wunsch der älteren Spieler ein demokratischerer Ansatz ausprobiert worden. Doch die Leistungen schwankten zu sehr und mit Moculescu wurde eher wieder ein Meckerer vom alten Schlag an die Seitenlinie geholt.

Am Mittwoch hielt Berlin lange mit, hätte sogar gewinnen können. Zwei Mal wurde ein Satzrückstand ausgeglichen. Am Ende der Sätze drei und fünf entschieden im Grunde nur jeweils zwei Ballwechsel, ein paar mehr vom Boden gekratzte Blockabpraller über Sieg und Niederlage. »Da haben sie stark verteidigt. Darum sind sie dieses Jahr ungeschlagen. Sie wehren sehr gute Angriffe ab, und wir waren im Block ein paar Mal nicht diszipliniert genug«, analysierte Berlins Diagonalangreifer Paul Carroll die knappe Niederlage.

Auch Moculescu zeigte sich trotz der vielen kleinen Ausraster während des Spiels danach sehr zufrieden und ausgeglichen: »Wir haben sehr gut gespielt und zum Großteil das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben. Uns fehlt ab und zu noch die Geduld«, bemängelte der 67-Jährige ein paar Netzberührungen, die unnötig Punkte kosteten.

Immerhin wird Manager Kaweh Niroomand freuen, dass sich der neue Trainer ab Satz vier traute. Robert Kromm und Adam White auf den Außenpositionen zusammen spielen zu lassen, so wie es vor der Saison geplant war. Der Kapitän und der im Sommer verpflichtete Australier waren bislang in der Annahme zu schwach, so dass ständig der viel kleinere Steven Marshall hatte aushelfen müssen.

Gegen die Friedrichshafener, die von ihrem Trainer Vital Heynen eher langsamere und risikoärmere Aufschläge verordnet bekommen, zeigte speziell White eine gute Partie: »Ich weiß nicht, ob es nur der neue Trainer ist. Vielleicht spiele ich auch besser«, sagte White diplomatisch. Aber ihm war deutlich anzusehen, dass er mit seiner neuen Rolle in der Startformation aufblüht. Friedrichshafen endlich zu schlagen, sei auf jeden Fall möglich: »Ich glaube nicht, dass sie noch viel besser spielen können. Sie sind an ihrem Limit angekommen, während wir noch viele kleine Fehler machen. Wenn wir die vermeiden, sieht das Ergebnis schon ganz anders aus. Wir müssen nicht mal perfekt spielen, um zu gewinnen.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.