Mitreden über das Mitreden

Auch bei den Leitlinien für die Bürgerbeteiligung an der Stadtentwicklung sind alle gefragt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
Hunderte Menschen strömen am Montagabend in den Festsaal Kreuzberg. Nicht um Party zu machen, sondern um zu diskutieren bei der ersten öffentlichen Werkstatt zu Leitlinien für die Bürgerbeteiligung bei Stadtentwicklungsprojekten. An diesem Abend geht es um die Grundsätze, aber auch um die Grenzen der Bürgerbeteiligung. »Ich will nicht von einem Konsens sprechen, der am Ende steht, aber von einem breit getragenen Beschluss«, sagt denn auch gleich zu Beginn der Veranstaltung Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE).

»Diese Leitlinien sollen eine größere Transparenz darüber schaffen, wann und wie über Projekte informiert wird, wer etwas vorschlagen kann und wer Rückmeldung bekommt«, erklärt Birgit Böhm. Sie ist Leiterin der Akademie für Partizipative Methoden am Nexus-Institut, das in den Prozess eingebunden ist. Bereits seit September tagt einmal monatlich das 24-köpfige Arbeitsgremium, in dem per Los ausgewählte Bürger die Hälfte stellen. Die andere Hälfte sind Vertreter aus Senat, Bezirken, Verwaltung und Abgeordnetenhaus.

Zumindest LINKE und Grüne wollten die Bürgerbeteiligung sogar in einem eigenen Gesetz verankern und nicht nur auf die Stadtentwicklungsverwaltung beschränken. »Es wäre schön gewesen, wenn die Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) dies gemacht hätte«, sagt Susanna Kahlefeld von der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. »Das war aber politisch nicht gewollt.«

Nach dem formellen Auftakt sprechen die Interessierten - 380 Menschen hatten sich angemeldet - in mehreren parallel stattfindenden Themenrunden über einzelne Aspekte. Die Beiträge sind vielfältig. »Es muss vorher klar sein, wo die Grenzen der Beteiligung sind«, sagt ein Teilnehmer. »Sobald ich im Nachhinein einen Freiraum wieder beschränke, habe ich verloren«, warnt er.

Natürlich kommt auch das geplante Stadtquartier »Blankenburger Süden« zur Sprache. Die Ankündigung von Anfang März, dass auch außerhalb des 70 Hektar großen Kerngebiets Wohnbaupotenziale erkannt wurden, sorgte für große Aufregung. »Der Beteiligungsprozess steht dort ganz am Anfang. Wir werden Einwände und Mitsprache ernst nehmen und demnach auch keinem Ergebnis vorgreifen«, erklärt Lompscher. Der Fall zeigt, dass Transparenz im Verfahren für die Politik kein Zuckerschlecken ist.

Oft wird auch ein Planungsatlas gewünscht, ein Verzeichnis, in dem alle ins Auge gefassten Projekte mit einem Realisierungszeitplan verzeichnet sind. »Wenn die Leitlinien das ergeben, dann wird es den geben«, verspricht Lompscher. Allerdings werde der auch mit großen Unsicherheiten behaftet sein, schließlich änderten sich Pläne des öfteren.

Martina Hänel vom Arbeitsgremium wünscht sich konkrete Anlaufstellen, wo Bürger sich über die Planungen informieren können »und auch Antworten auf ihre Fragen bekommen«. Andere wollen diese als Kiezcafés organisiert wissen. »Wenn wir über niedrigschwellige kieznahe Angebote sprechen, reden wir über richtig viel Infrastruktur«, entgegnet die Stadtentwicklungssenatorin. Das sei ein über ihr Ressort hinausreichendes Thema, also nicht bezahlbar.

Was deutlich wird: Die Erwartungen und Kenntnisse in dem Bereich sind bei den Teilnehmern sehr unterschiedlich ausgebildet. Martina Hänel hatte sich beispielsweise für das Gremium beworben, weil sie mehr Aufmerksamkeit für das Mehrgenerationenwohnen schaffen will - was mit der Erarbeitung von Leitlinien für die Bürgerbeteiligung wenig zu tun hat.

Frank Bertermann, Grüner Bezirksverordneter aus Mitte, macht auch darauf aufmerksam, wer sich alles nicht beteiligt: »Wenn wir in den Spiegel gucken, sind hier 95 Prozent weißes deutsches Mittelstandspublikum.« Das bilde nicht die tatsächliche Zusammensetzung der Bevölkerung ab.

Zu besprechen ist noch viel. Bis Jahresende sollen die Leitlinien fertig sein und an das Abgeordnetenhaus gehen. Mehrere Werkstätten sind noch geplant, ab 26. März ist die Beteiligung auch online möglich.

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