Historischer Moment
Rainer Balcerowiak über die erste grenzüberschreitende Tarifverhandlungsgruppe der Piloten
Die Gewerkschaften der Luftfahrtbranche rüsten sich für weitere Auseinandersetzungen mit dem europaweit agierenden irischen Billigflieger Ryanair. Erstmals wollen sie eine länderübergreifende Tarifkommission gründen, um die Verhandlungen mit dem Unternehmen über Rahmenregelungen für die Piloten an allen Standorten gemeinsam zu führen. Man kann diesen Schritt durchaus als »historischen Moment« bezeichnen. »Nie zuvor hat es einen so geschlossenen und Grenzen überschreitenden Zusammenschluss von Arbeitnehmern gegeben«, erklärte der Präsident der deutschen Pilotenvereinigung Cockpit (VC), Ilja Schulz. Die Piloten wehren sich damit gemeinsam gegen das Geschäftsmodell von Ryanair, die Angestellten in den verschiedenen Standorten gegeneinander auszuspielen und auf ihrem Rücken Profite zu erzielen.
Während es bei den anstehenden Verhandlungen auf europäischer Ebene vor allem um konzernweit verbindliche Regelungen für Versetzungen und Aufstiegschancen der Piloten geht, wollen die Gewerkschaften auf nationaler Ebene weiter Tarifverhandlungen auf der Basis des jeweils geltenden Arbeits- und Sozialrechtes führen. VC-Sprecher Markus Wahl geht davon aus, dass die Verhandlungen für die rund 400 in Deutschland stationierten Ryanair-Piloten zeitnah beginnen. Konzernchef Michael O'Leary hatte vor einigen Tagen erklärt, man wolle nunmehr allen Piloten eine Festanstellung anbieten. Bislang werden rund die Hälfte über Personaldienstleister oder offenbar als Scheinselbstständige beschäftigt. »Wir sind wahnsinnig skeptisch«, erklärte Wahl gegenüber »nd«. Es habe bereits vor einiger Zeit ein entsprechendes Angebot gegeben, doch dieses habe »etliche Fußangeln enthalten«. So hatte Ryanair im Gegenzug für die Festanstellungen verlangt, dass die Piloten sämtliche Ansprüche, die sie bisher in Bezug auf Sozialversicherungsbeiträge und die Entrichtung von Steuern geltend machen, fallen lassen. Unabhängig von der Klärung dieser Fragen werde man zunächst für einen Tarifvertrag für die 200 bereits fest angestellten Kollegen kämpfen, der eine weitgehende Angleichung an branchenübliche Gehälter sowie Arbeitszeit- und Urlaubsregelungen beinhalte. Mit Streiks der deutschen Piloten sei aber zunächst nicht zu rechnen.
Auch in einigen anderen Ländern entschärft sich der Konflikt derzeit. So gab es in Italien und Großbritannien Abschlüsse, die unter anderem Gehaltserhöhungen von 20 Prozent beinhalten, was Cockpit auch als Erfolg der Warnstreiks im vergangenen Jahr wertet. Dagegen ist die spanische Pilotengewerkschaft gegen den Konzern vor Gericht gezogen, um Standards durchzusetzen. Und in Portugal haben sowohl Piloten als auch Vertreter des übrigen Kabinenpersonals Streiks in den Osterferien angekündigt, falls Ryanair nicht einlenkt.
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