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Mit sozialen Themen punkten
Teil fünf der Serie zu Westbezirksverbänden der Linkspartei: Steglitz-Zehlendorf
»Auch in einem bürgerlichen Bezirk wie Steglitz-Zehlendorf brauchen wir dringend linke Politik«, sagt Franziska Brychcy mit einem selbstbewussten Lächeln. Die 34-Jährige ist seit 2014 stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner LINKEN und seit 2016 Bezirksvorsitzende der Partei in Steglitz-Zehlendorf. Im Bezirk wohnt sie mit ihrer Familie seit 2003. Den äußersten Südwesten Berlins kennt die gebürtige Meißnerin inzwischen wie ihre Westentasche.
»Steglitz-Zehlendorf ist ein Bezirk mit vielen Facetten und starken Gegensätzen. Wir haben die Villen am Wannsee und die Sozialwohnungsblocks in der Thermometersiedlung in Lichterfelde«, sagt Brychcy. Die Schere zwischen Arm und Reich sei im Bezirk in den vergangenen Jahren größer geworden. »Hier kommen wir ins Spiel«, so Brychcy. »Wir sind die einzige Partei in Steglitz-Zehlendorf, die Verdrängung, prekäre Beschäftigung und Armut im Alter thematisiert.«
Dass das Themen sind, die den Menschen in Steglitz-Zehlendorf offensichtlich auf den Nägeln brennen, zeigen die letzten Wahlergebnisse. Seit den Berlin-Wahlen im Jahr 2016 ist die LINKE mit drei Verordneten und damit zum ersten Mal überhaupt politisch in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Steglitz-Zehlendorf vertreten. Brychcy selber ist 2016 über ihren Listenplatz 21 ins Abgeordnetenhaus eingezogen. An diesen Erfolg hatte sie im Vorfeld gar nicht glauben wollen. »Ich war schon echt überrascht, dass ich als erste Linkspolitikerin aus Steglitz-Zehlendorf ins Berliner Parlament einziehen durfte«, sagt die Sozialistin. Erst vor Kurzem hat sie ihr neues Abgeordnetenbüro am Hindenburgdamm in Lichterfelde eröffnet. Dort will sie ab sofort einmal im Monat ein Erwerbslosenfrühstück anbieten. Mit dem schon seit mehreren Jahren bestehenden Bezirksbüro in der Schildhornstraße in Steglitz hat die Partei damit zwei feste Standorte. »Wir haben uns im Bezirk etabliert«, sagt sie.
Das neue Selbstbewusstsein des Bezirksverbands spiegelt sich auch in den Mitgliederzahlen wieder. Durch Neueintritte im vergangenen Jahr zählt der Verband nunmehr 172 Mitglieder. Damit ist der Verband im berlinweiten Ranking nicht mehr der kleinste. Das ist jetzt Spandau. Dass 2017 vor allem mehrere junge Menschen unter 30 Jahren in den Bezirksverband neu eingetreten sind, macht Brychcy zusätzlich Mut. »Diese Entwicklung zeigt, dass wir mit unserem Schwerpunkt auf soziale Themen den Nerv der Zeit treffen«, ist sie überzeugt. Viele der Neuen begründeten ihren Parteieintritt allerdings noch mit einer weiteren Motivation: Sie wollen sich gegen die AfD engagieren.
Die Rechtspopulisten sind mit ihrem mitgliederstärksten Bezirksverband eine echte Größe in Steglitz-Zehlendorf. Mit sechs Abgeordneten ist die AfD einflussreich in der BVV vertreten. Und was die AfDler dort so alles ablassen, sei schon haarsträubend. »Im innerparteilichen Machtkampf positioniert sich der Bezirksverband klar aufseiten des nationalkonservativen bis völkisch-nationalistischen Flügels. Wir haben es also mit lupenreinen Rassisten zu tun«, sagt Brychcy. Wann immer die AfD in Steglitz-Zehlendorf eine Veranstaltung organisiert, müssten die Rechtspopulisten mit lautstarkem Protest der Linkspartei rechnen. Sich in einem stark konservativ geprägten Bezirk für Vielfalt und Geflüchtete einzusetzen, sei dabei nicht immer leicht, wie Brychcy erzählt. Selbst die Grünen, die in der BVV zusammen mit der CDU die Mehrheit stellen, seien im landesweiten Vergleich äußerst konservativ eingestellt.
Forderungen wie die nach einem wirksamen Milieuschutz - in anderen Bezirken ein grünes Kernanliegen - seien mit dem Bezirksverband der Partei nicht zu machen. »Umso mehr freuen wir uns über die Unterstützung unserer Genossen aus anderen Bezirksverbänden«, sagt Brychcy. Regelmäßig komme auch hoher Besuch aus dem Bundestag in den Südwesten. Die LINKEN-Abgeordnete und stellvertretende Bundestagspräsidentin Petra Pau hat einen guten Draht nach Steglitz-Zehlendorf. Erst vor Kurzem war Brychcy zusammen mit Pau bei den Mietern der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) in der Sundgauer Straße, die sich vor drohenden Mieterhöhungen fürchten.
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