Wettrüsten erschöpft Balkanstaaten
Belgrad und Zagreb übertrumpfen sich mit der Beschaffung von Kriegsgerät
Am Tag vor Ostern schulterte der Kroate Sasa Pavlic sein Kreuz. Als er in der Zeitung gelesen habe, dass der Staat kein Geld für Medikamente für schwer erkrankte Kinder habe, aber dennoch zwölf gebrauchte Kampfjäger erwerben wolle, sei dies der »letzte Tropfen« gewesen, der bei ihm »das Glas zum Überlaufen« gebracht habe, begründete der 43-jährige Familienvater seinen sechstägigen Spontanmarsch. Mit einem selbstgezimmerten, 20 Kilogramm schweren Kreuz auf der Schulter macht er sich von seinem Wohnort Rijeka zu Fuß in die 180 Kilometer entfernte Hauptstadt Zagreb auf.
Die von Kroatiens Regierung Ende März stolz verbreitete Kunde, die uralten MiG 21-Kampfjäger sowjetischer Bauart durch sehr alte Kampfflugzeuge des US-Modells F-16 ersetzen zu wollen, war es, die den empörten Pavlic sein Kreuz auf den Zagreber Regierungshügel tragen ließ. Den Preis von drei Milliarden Kuna (404 Millionen Euro) für die von Israels Luftwaffe entsorgten Flug-Vehikel nagelte er genauso an sein Kreuz wie die Summe, über die derzeit Kroatiens nationaler »Fonds für teure Medikamente« für an seltenen Krankheiten leidende Kinder verfügt: 27 388 Kuna.
Es ist ein bizarrer Mini-Rüstungswettlauf zweier Ex-Kriegsgegner, die sich der EU-Anwärter Serbien und das EU-Mitgliedsland Kroatien eigentlich kaum leisten können, sich aber trotzdem auf Kosten ihrer Bürger liefern. Bereits Ende 2016 hatte Serbiens damaliger Premier und heutiger Präsident Aleksandar Vucic stolz ein kostspieliges »Geschenk« aus Moskau angekündigt. 185 Millionen Euro hatte Belgrad für die Modernisierung von sechs MiG-29-Jäger an Russland zu berappen. In Kisten verpackt flogen die betagten Moskauer Morgengaben schließlich im November in Belgrad ein. Bis Jahresende sollen die 1989 gefertigten Flugoldtimer nach einer Modernisierung einsatzfähig sein, bevor ihnen 2021 die nächste »Verjüngung« droht.
Was Belgrad kann, kann Zagreb auch. Mit Ratenzahlungen will Kroatien seine etwa 30 Jahre alten Neuerwerbungen abstottern: Nach Generalüberholung sollen die F-16-Gebrauchtflieger zwischen 2020 und 2022 in Kroatien eintrudeln. Doch Serbien plant bereits den nächsten Coup. Auf persönliche Anweisung von Kremlchef Wladimir Putin werde Belgrad noch »mehr modernisierte MiGs, Panzer und Helikopter« erhalten, vermeldete in dieser Woche erfreut das regierungsnahe Boulevardblatt »Informer«: »Serbien rüstet sich für den Frieden.«
Doch nicht bei allen Bewohnern der Nachbarstaaten kommt angesichts der waffenklirrenden Friedensbemühungen ihrer Regierungen Begeisterung auf. In beiden Staaten suchten die Jungen ihr Arbeitsglück im Westen, während Ältere immer häufiger in Abfalleimern nach Essbarem suchten, klagt die kroatische Zeitung »Novi List«. Doch das einzige, was unternommen werde, sei »die Feindschaft mit einem Nachbarn zu hegen, der sich in derselben Situation« befinde: »Unsere Länder werden zur Schrotthalde von Fliegern, Kanonen und Haubitzen, die zwar alt, aber noch gut genug für unser eventuelles Blutvergießen sind.«
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